STORY: MAMA CITAS GRABSTEIN
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Impressum

 

 

 

 

 

 

 

 

Auch das muss man wissen, will man die Bedeutung von Mama Cita, die Historie der Grabplatte verstehen - das Umfeld, in dem Mama Cita ihren Platz in der Geschichte hat (Das Folgende habe ich 1986 aufgeschrieben, am 5.9.86 stand es so in einer schleswig-holsteinischen Tageszeitung mit damals gut 125.000 Exemplaren Auflage, "Mama Cita" kommt auch darin vor; ich kannte sie genau so, wie sie auf dem Foto auf der vorigen Seite hinter ihrer Theke aussieht - den Hals der gerade geöffneten Bierflasche mit einer Papierserviette säubernd...):
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In Fort Bliss schenkt der
deutsche Pfarrer Bier aus


Thomas Petzolds Augen leuchten, wenn er über seinen derzeitigen Dienst-Standort spricht: "Diese Größe, diese Weite" staunt der 25jährige im olivgrünen Bundeswehr-Arbeitsanzug immer wieder. Der junge Schleswig-Holsteiner ist bis Enqe Oktober für drei Monate vom 3. Flugabwehrraketen-Bataillon in Eckernförde zur Ausbildung abkommandiert worden nach Fort Bliss in Texas. Zusammen mit dem angrenzenden Schießplatz White Sands ist das militärische Gebiet, in dem Thomas Petzold seine Ausbildung als Raketen-Wartungssoldat absolviert, mit fast 15 000 Quadratilometern annähernd so groß wie ganz SchIeswig-Holstein.


Die deutsche Uniform, die der junge Eckernförder auf dem selben Gelände trägt, auf dem nach dem Krieg Wernher von Braun seine Arbeit an der Fortentwicklung der legendären V-2-Rakete wiederaufnahm, ist in den USA keine Seltenheit: Bis zu 2500 Bundeswehrangehörige registriert Luftwaffenattache Friedrich P. Busch von der Botschaft der Bundesrepublik in Washington ständig auf nordamerikanischem Boden. Rund 10.000 Tonnen Material werden für sie jährlich über den Atlantik transportiert, ein Drittel davon auf dem Luftweg. "Wörner-Airline", die Boeing-707-Flotte der Luftwaffe, flog im vergangenen Jahr 220 Transatlantik-Flüge mit meist voll besetzten Passagierkabinen. Unmittelbar am Washingtoner Dulles-International-Airport weisen Schilder zum eigenen Abfertigungsterminal, und im Flughafengebäude selbst wundert sich niemand, wenn zwischen Shuttle-Flügen nach New York urd Atlanta der Start von "German Airforce to Cologne" per Lautsprecher angesagt wird.

Fort Bliss am Stadtrand von El Paso ist nur einer von etwa 30 über ganz Nordamerika verstreuten deutschen Bundeswehr-Stationierungsorten. In Sheppard bei Wichita Falls (ebenfalls Texas) werden gemeinsam mit den Luftwaffen anderer Nato-Staaten künftige Jet-Piloten ausgebildet, in Mather bei Sacramento (Kalifornien) zieht die Luftwaffe ihre Navigatoren heran, in George (Kalifornien) und Bergstrome (Texas) erhalten die Waffensystemoffiziere in den Jet-Cockpits ihren letzten Schliff. Zur Flugabwehrraketen- und flugkörperausbildung schickt die Luftwaffe ihre Soldaten außer nach Fort Bliss auch nach Fort Sill (Oklahoma) und Huntsville (Alabama). Bei verschiedenen US-Einheiten bestehen außerdem deutsche Verbindungsstellen, und selbst an der Airforce-Academy in Colorado Springs lehrt ein Oberstleutnant in deutscher Uniform als Gastdozent.

Mehr als 100 Millionen US-Dollar (über 200 Millionen Mark) kostet die deutsche Luftwaffen-Präsenz in Nordamerika den bundesdeutschen Steuerzahler jedes Jahr, davon allein 83,4 Millionen Dollar für die fliegerische Ausbildung. Lohnt sich dieser Aufwand? Oberstleutnant Reinsch, dienstältester Offizier auf dem Stützpunkt Sheppard, ist davon überzeugt. 34 000 Flugstunden pro Jahr würden dadurch aus der Bundesrepublik in die USA verlagert: "Gerade vor dem Hintergrund der immer stärker werdenden Klagen über die Belästigung durch Tiefflüge in der Bundesrepublik" sei das eine spürbare Entlastung. Sein Kollege Oberstleutnant Klante, Staffelkapitän der 2. Deutschen Luftwaffenausbildungstaffel auf dem Stützpunkt Mather bei Sacramento (Kalifornien), zählt weitere Vorteile auf: "Die günstígen Witterungsbedingungen machen die Dauer der Lehrgänge genauer planbar; die Ausbildungskosten sinken dadurch; die Zusammenarbeit mit Soldaten der anderen Nato-Verbündeten wird gefördert". Nicht zu vergessen, so Klante: "Die Ausbildung gewinnt durch den Aufenthalt in den USA erheblich an Attraktivität".

Die Attraktivität betont auch Brigadegeneral Griese, Chef des deutschen Luftwaffenausbildungskommandos in den USA: "Wir kommen aus einem kleinen Land in Europa, und unser Blickwinkel ist etwas anders als der der Weltmacht USA". Und: "Wir leben hier nicht im Ghetto, wie die Amerikaner in unserem Land". Oberst Karl Wallrath, Kommandeur der Raketenschule in Fort Bliss, bestätigt das: "Wir haben einen hervorragenden Kontakt mit der örtlichen Bevölkerung". Schließlich fungiere man neben der Ausbildung mitsamt Familienangehörigen auch als so etwas wie "Botschafter unserer Bundesrepublik Deutschland". Unter anderem habe sich die Fußballmannschaft der Raketenschule selbst in der weiteren Umgebung "erhebliche Beachtung erspielt". Nicht zu schlagen natürlich - und kaum noch wegzudenken im Gesellschaftsleben der Halbmillionenstadt El Paso: Das urdeutsche Oktoberfest, 5000 bis 6000 Gäste erwartet Wallrath in diesem Jahr wieder, aus dem bayerischen Lengries wird eigens dafür eine Trachtenkapelle nach El Paso eingeflogen - deutsche Folklore in Amerika.

Deutsche Folklore selbst im benachbarten Juarez, jenseits des Grenzflusses Rio Grande, auf mexikanischer Seite: Bei "Mama Cita" tönt da schon mal die Deutschland-Hymne mit sämtlichen Strophen aus der ausschließlich mit deutschen Platten bestückten Musikbox, und von den Wänden der schummerigen Bier-Bar, die sich "Deutscher Club" nennt, leuchtet unter den verschiedenartigsten Aufklebern auch ein "Kiel ist Spaß" hervor.


"Im Ghetto" lebt tatsächlich kaum einer der deutschen Soldaten in den US-Standorten. Nicht nur das Stammpersonal, sondern auch viele Lehrgangsteilnehmer kommen für die Zeit ihres USA-Aufenthaltes mit Familie .und komplettem Hausstand an. Mitsamt Frauen und Kindern zählt so die "deutsche Gemeinde" in EI Paso mitt-
lerweile rund 1500 Mitglieder. Gewohnt wird meist außerhalb des militä:rischen Geländes, die amerikanischen Nachbarn sorgen prompt mit Einladungen und bereitwilliger Hilfe bei allen Problemen für schnelle Integration. Über ein Gastfamilienprogramm werden darüber hinaus monatliche Treffen mit amerikanischen Familien .arrangiert. Am schnellsten leben sich offenbar die Kinder ein: "Nach nur drei Monaten unterhielt er sich schon fließend mit den Nachbarskindern", erzählt ein Flug-Ausbilder stolz über seinen vierjährigen Sohn. Schulschwierigkeiten? "Kaum, nur wenn es wieder zurück in die Bundesrepublik geht, wissen wir nicht, wie es weitergehen soll", so ein deutsches Ehepaar in Wichita Falls über ihre neunjährige Tochter. In El Paso sind diese Schwierigkeiten weitgehend ausgeräumt worden: Auf dem Gelände von Fort Bliss werden in einer deutschen Schule rund 100 Kinder bis zum neunten Schuljahr unterrichtet. Unweit der Schule werden jeden Sonntag katholische und evangelische Gottesdienste in einer eigenen deutschen Kirche abgehalten. Der katholische Pfarrer fungiert gleichzeitig als Chef der mit Schankerlaubnis ausgestatteten (kircheneigenen) "Soldatenstube".

Rund 45 000 Soldaten haben seit 1966 die Luftwaffenausbildungsprogramme in den USA durchlaufen. "Und so ziemlich alle dürften sich hier wohlgefühlt haben", sagt Oberstleutnant Reinsch, deutscher Chef der Nato-Pilotenausbildung in Sheppard. Portepee-Unteroffizier Horst Keuters, Ausbilder an der Raketenschule in Fort Bliss, bestätigt das: "Ich würde hier gern noch länger bleiben". Horst Keuters ist bereits mit Packen beschäftigt, in ein paar Wochen geht es mit Frau, Sohn und Tochter zurück - neuer Dienstort ist dann Heide in Schleswig-Holstein.


PETER J. GOLLNIK
("Kieler Nachrichten", 5. 9.1986)

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