AKTUELL: PULVERFASS ARABIEN | |||||||||||
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Das war 1986, im März:
Auch damals regierte schon Hosni Mubarak in Ägypten, auch
damals schon war der Nahe Osten ein Pulverfass, in den arabischen
Ländern gärte der Unmut der darbenden Massen. Unmittelbar
nach aufstandartigen Unruhen in Kairo ("Kairo brennt!",
titelte ein deutsches Boulevardblatt) sprachen eine Handvoll
Erstwelt-Journalisten im Kouba-Palast des einstigen Königs
Faruk darüber mit ägyptischen Regierungsvertretern.
Hier die Wiedergabe der Gespräche - die dort angesprochenen
Probleme gleichen erschreckend denen von heute.
"Er hat einen großen Mund, aber er hat auch viel Geld. Man darf ihn nicht unterschätzen". - Osama el-Baz, Erster politischer Berater von Präsident Hosni Mubarak und bisweilen auch als "Graue Eminenz" der ägyptischen Politik bezeichnet, hebt die Augen zum Himmel, wenn er über Libyens Alleinherrscher Muammar el-Gaddafi spricht. Das großtönende Verhalten des "charmanten Nachbarn" macht den Regierenden in Kairo sichtlich Kummer, auch wenn Außenminister Esmat Abdel Meguid ironisiert, man könne ja die gesamte libysche Bevölkerung in ein einziges Viertel der 14-Millionen-Stadt Kairo packen, ohne daß es irgendjemand merken würde. Die Beziehungen zu dem unsicheren Kantonisten im Westen sind längst eingefroren: "Es ist ein anderes Land, wir haben keinen Kontakt mit ihm", sagt Präsident Hosni Mubarak. Dennoch: Gaddafis abstruse Politik und ihre Folgen haben Auswirkungen, die man auch in Kairo spürt. Die Unruhe, die der Libyer mit seinen terroristischen Sympathien über den arabischen Raum hinausträgt, hat mindestens dIe Amerikaner verschreckt. Und so gähnen denn auch im ITT-konzerneigenen Sheraton Towers Hotel auf der Kairoer Nil-Insel Gezirah die sonst von betuchten US-Touristen gut gefüllten 28 Luxusstockwerke schon seit der Achille-Lauro-Entführung in erschreckender Leere.
Die diplomatischen Aktivitäten
Ägyptens im Mittleren Osten stachelt solcherart Isolierung
eher an. "Frieden", "Stabilität in der gesamten
Region" und "Entwicklung" nennt Außenminister
Esmat Abdel Meguid als die Zielpunkte der ägyptischen Politik,
während sich im Kairoer Kouba-Palast, in dem schon der letzte
ägyptische König Faruk residierte, Staatsmänner
aus aller Welt die Klinke in die Hand geben: Gerade hatte Chinas
Ministerpräsident Li Xianning dort einen Vertrag über
den Bau eines Kongreßzentrums in Kairo für 97 Millionen
Dollar unterzeichnet, als auch schon Jordaniens König Hussein
eintrifft, frisch zerstritten mit PLO-Chef Yassir Arafat, der
wiederum unmittelbar nach Husseins Abreise Mubarak die Aufwartung
macht. "Wir geben unser Bestes, damit die Kluft enger, der
Weg zum Frieden nicht verschüttet wird", so Mubarak
Minuten vor dem Eintreffen Arafats. "Seit 1948 sagen die
Araber bei jeder Lösung Nein - wir haben immer Nein gesagt,
bis die Westbanks und Gaza besetzt wurden - jetzt müssen
wir realistisch denken". Das ist der Realist Mubarak, der
Vermittler, der auf den Vertrag von Camp David pocht, der die
PLO zum Einlenken bringen will: "Wenn die Palästinenser
weiter den Vertrag von Camp David ablehnen, werden sie für
immer ohne eigenen Staat bleiben."
Und die Israelis? "Die Kluft enger machen" - das gilt auch für den Nachbarn im Osten, obwohl dem ersehnten Gipfeltreffen mit Israels Regierungschef Shimon Peres nach Ansicht Mubaraks noch viel entgegensteht. Eines der Hindernisse ist das von Israel besetzte Taba am Roten Meer, das Ägypten zurückhaben möchte. Die "Graue Eminenz" Osama el-Baz gibt sich da zuversichtlicher: "Wohl schon in diesem Sommer" werde der Gipfel mit Peres stattfinden, sagt er nach einigem Nachdenken.
"Ich war überhaupt nicht überrascht." - Mit einem leichten Achselzucken beschreibt Ägyptens Präsident Hosni Mubarak so seine erste Reaktion auf die Nachrichten von den meuternden Polizeitruppen im Kairoer Vorort Gizeh und später auch in anderen Lagern des Landes, "schließlich war da einiges faul im Polizeicamp", gesteht er ein. Wohl wahr. Ein Monatssold von knapp über sechs ägyptischen Pfund (umgerechnet rund 12 Mark) und das (ierüchl über eine Verliingerung der so besoldelen Dienstzeit von drei auf vier Jahren, kärgliche Verpflegung mit immer wieder Fladenbrot und Bohnen, jeder Beschreibung spottende Zellenunterkünfte auf nacktem Wüstenboden - und vor allem (in Gizeh) die direkte Aussicht auf zwei nur wenige Meter entfernte Hotels, in denen Touristen und Ägypter einträchtig oft "in einer halben Stunde den Gegenwert von acht Monaten Polizei-Sold in Form einer Flasche Whiskey" am Swimmingpool durchbrachten (so ein Fremdenführer): Das mußte irgendwann den Zündfunken zur Explosion liefern. Die Hotels "Jolieville", "Holiday Pyramide" und "Holiday Sphinx" blieben ausgebrannt auf der Strecke, Mitläufer der wütenden Polizeihundertschaften machten bei der Gelegenheit auch gleich noch ein paar unbeliebten Nachtlokalen an der Pyramidenstraße den Garaus. Ausländischen Einfluß
oder Aktivitäten radikaler Schiiten schließen Mubarak
und seine Berater aus. Der für die nächsten Tage angekündigte
Untersuchungsbericht dürfte denn auch nichts Erhellenderes
mehr bringen. "Wir haben allerdings Fehler gemacht",
üben sich jetzt selbst hohe Regierungsmitglieder in Selbstkritik.
Diesen Fehlern rückt Agyptens Regierung jetzt mit Macht zu Leibe. Mehr Sozialunterstützung für die Armen, höhere Steuern für die Reichen, heißt die Devise. Denn gerade in den klaffenden Unterschieden zwischen Arm und Reich, in der zunehmenden Armut, sieht die Regierung in Kairo eine Bombe mit Zeitzünder. Alle neun Monate wächst Agyptens Bevölkerung um eine Million Einwohner, nicht jeder findet da Arbeitsplatz und Wohnung. Allein auf dem Kairoer Friedhof vegetieren 30.000 Menschen, auf den Dächern der zerbröckelnden Altstadt-Häuser türmen sich Behelfswohnungen aus Lehmziegeln. Für die Polizeitruppen verfügte Mubarak bereits eine Solderhöhung. auch die Verlängerung ihres Pflichtdienstes ist vom Tisch. In der vergangenen Woche bekamen die vorübergehend entwaffneten Posten vor der Deutschen Botschaft und vor der Kairoer Lufthansa-Residenz ihre Gewehre wieder. Und das Camp in Gizeh, von dem die Unruhen ausgingen,. ist geräumt - angeblich soll hier die erste Jugendherberge Kairos entstehen. PETER J. GOLLNIK (01.04.1986) |
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