AKTUELL: DIE AUGEN AMERIKAS | |||
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Als "U-Boot in den Bergen" bezeichnen es die einen oft, als "Zentrale der Apokalypse" andere. Gemeint sind die beiden wohl geheimnis- umwittersten militärischen Kommandozentralen der westlichen Welt - NORAD, das nord- amerikanische Luftverteidigungszentrum, und SAC, das Strategische Luftraumkommando der USA. Ein Blick in die gigantischen Bunkeranlagen der beiden Militärkomplexe in den US-Bundesstaaten Colorado und Nebraska. Das
"U-Boot im Berg" - Oder: Die Szenerie wirkt gespenstisch, wie in einem überzeichneten Science-Fiction-Film: Von einem langgestreckten verglasten Balkon aus geht der Blick in einen riesigen, mit Computer- Bildschirmen, rot und grün blinkenden Tafeln und einer Unmenge von Telefonen in den verschiedensten Farben vollgestopften Saal. Die Gestalten vor den Schirmen bewegen sich kaum, alles liegt im Halbdunkeln, kein Laut dringt herauf. Darüber eine riesige Leinwand; in grünlichem Licht darauf die Umrisse des nordamerikanischen Kontinents, daneben eine Weltkarte. Ein Lichtstrahl zeichnet eine fort- während blinkende Sinuskurve: Die aktuelle Flugbahn der sowjetischen Raumstation MIR. Der Karte nach befindet sich MIR gerade über Südostasien. Das ist NORAD, das nordamerikanische Luftverteidigungszentrum, das auch so benannt wird: Die "Augen", die in der Lage sind, sämtliche Bewegungen von Flugkörpern auf und über dem gesamten Erdball zu registrieren - und im Falle eines Angriffs Alarm zu schlagen. Hier laufen alle Informationen von Radarstationen und Überwachungssatelliten aus der gesamten westlichen Welt zusammen, werden von einem riesigen Computerkomplex ausgewertet, säuberlich nach "Freund" oder "Feind" getrennt und von der Maschinerie dem Menschen als "Gesamtlage" auf riesigen Übersichtstafeln präsentiert. Sollten jemals sowjetische Raketen über den Pazifik, die Nordpolar-Region oder den Atlantik das Gebiet der USA oder Kanadas anfliegen, würden die Computer seelenlos nüchtern links oben auf der Leinwand Zahlen einblenden: die Zahl der anfliegenden Raketen- köpfe, die Sekunden bis zu deren Einschlag. Hier leuchten aber auch schon mal die roten Geheim-Schilder auf, wenn irgendwo auf der Welt ein Passagierflugzeug von Terroristen gekapert und entführt wird - die Kommando- Zentrale von NORAD verliert es keine Sekunde aus den alles registrierenden Augen. "Das U-Boot in den Bergen" wird dieses Nervenzentrum der nordamerikanischen Luftabwehr auch genannt, und wie ein ins Riesige übersetztes U-Boot wirkt der Mitte 1966 mit einem Aufwand von 142,4 Millionen Dollar fertiggestellte Komplex unter dem "Pikes Peak" in den Cheyenne Mountains unweit Colorado Springs auch. Wenn die 25 Tonnen schweren Tore sich ganz langsam schließen, von schwerer Hydraulik innerhalb von 45 Sekunden in die Rahmen gepresst - dann sind 1400 Menschen tief im Berg abgekapselt von der Aussenwelt - ein U-Boot 2000 Meter über Meereshöhe, aber mit Hunderten von Metern uralten Granitgestein darüber. Da soll nach den Berechnungen der Konstrukteure auch eine Atombombe schweren Kalibers, direkt über dem Eingang gezündet, nichts ausrichten können. Selbst für diesen Fall ist vorgedacht: Die 15 mehrstöckigen Stahlgebäude im Innern des Berges, aufge- stellt in einer riesigen Höhlung, berühren den Fels an keiner einzigen Stelle; ihre Standbeine sind 1300 Federn aus 20 Zentimeter dickem Stahl, verbunden mit ebenso überdimensionalen Stossdämpfern. Wenn die Cheyenne-Berge in einer atomaren Schockwelle beben würden - im Inneren von "Steel City", 18.580 Quadratmeter gross und mit 7000 Tonnen bestem Stahl armiert - soll dann in "The Granit Inn", der bestbe- wachtesten Kantine der Welt, noch nicht einmal der Kaffee aus den Tassen schwappen. War es die Angst vor einem "atomaren Pearl Harbor", die die Amerikaner dieses monströse Bauwerk in den Berg schlagen ließen? Welchen Zweck soll eine Frühwarn- Zentrale erfüllen, wenn die Zeit zum Warnen längst verstrichen ist, die Nachrichten- Verbindungen ins Leere laufen? - "No comment", zuckt Colonel Don Bunce, einer der leitenden Offiziere der Zentrale, die Schultern - "kein Kommentar". Aber die erdrückende Fülle höchstqualifizierter Technologie, der Mensch mittendrin nur noch als Schnittstelle zwischen Maschinen und Waffensystemen? - "Letztlich entscheidet der Mensch", weiß der Colonel im Brustton der Überzeugung zu antworten, überzeugt von der Fehlerlosigkeit des Systems. Und doch: Zwei Fälle von Pannen sind bisher durchgesickert. Einmal war es ein winzig kleiner Computer-Chip, der verrückt spielte; ein anderes Mal hatte ein Techniker ein Übungs-Computerband aus Versehen über den Hauptcomputer abgespielt. In beiden Fällen schrillten die Alarmglocken, meldete NORAD den Atom-Angriff - nur Sekunden später gab SAC, das Strategische Luftraumkommando der USA, ebenfalls Alarm, überall auf der Welt starteten Bomber, wurden Raketen scharf gemacht. Der Fehler wurde in allerletzter Sekunde aufgedeckt.... Bei SAC kann man sich an solche Fälle angeblich nicht erinnern. Wie bei NORAD schwört man auch knapp tausend Kilometer östlich von Colorado Springs, nahe bei Omaha in Nebraska, auf die alles überwachende Kontrollfunktion des Menschen. Die Kommandozentrale, "in der die Apokalypse ausgelöst werden könnte", so SAC-Skeptiker, ist mindestens so streng abgeschirmt wie das "U-Boot im Berg". Wer sich in den unterirdischen Gängen im Laufschritt bewegt, macht sich bereits verdächtig. Die überall präsenten Wachen haben ausdrücklich freie Hand, dann ihre Waffen zu benutzen. Und in den Seitengängen tauchen urplötzlich freundlich lächelnde Uniformierte auf, die dem Besucher den Weg weisen - und die Sicht in andere Regionen der Anlage versperren. SAC ist nicht so "hart" wie die NORAD-Zentrale. Die Bunkerwände würden einem Atomschlag nicht standhalten. "Nicht nötig", heißt es lapidar auf Fragen dazu. Da seien ja noch Ausweichzentralen über die gesamten USA verstreut, außerdem sei ständig ein fliegender Befehlsstand mit einem Kommandierenden General an Bord in der Luft - rund um die Uhr. SAC - das ist die Zentrale, aus der die Telefonleitungen direkt zum Weißen Haus gehen. Leuchten auf der großen Anzeigewand im Kommandostand die roten Alarmlichter im Sekundentakt von rechts nach links über die gesamte Raumbreite - und sagt der Präsident Ja - dann werden bei SAC die Knöpfe gedrückt. Innerhalb von Sekunden gehen dann über Raketenschächten die Klappen auf, starten Bomber von Stützpunkten auf der ganzen Welt. Eine dieser Einheiten - die 7. Air Division - ist auf dem Boden der Bundesrepublik stationiert, in Ramstein in der Pfalz. Von SAC wurde auch die US-Attacke gegen Libyen geführt. Colonel Baxter im SAC- Kommandostand: "Wir verstehen uns als offensive strategische Kraft". Und wenn nun eine Sowjetrakete irrtümlich in Richtung USA fehlgeleitet werden würde? - Colonel Baxter antwortet prompt: "Das ist pure Spekulation, bitte die nächste Frage".... Peter J. Gollnik |
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