GESCHICHTEN AUS DER PROVINZ

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Der "ganz normale Ablauf"

Eine Nachtstunde in der Chirurgischen Ambulanz

 

Es wird gerade 1 Uhr, gähnende Leere hinter dem Haupteingang des Kreiskrankenhauses in Rendsburg. Die Tür zu den Fluren der Chirurgischen Ambulanz wird geöffnet; wer kann denn so wach, so ausgeschlafen freundlich zu dieser Nachtstunde sein?

"Guten Morgen, ich bin Schwester Sabine", stellt sie sich vor. "Wir sind das doch irgendwie den Leuten schuldig, nett zu ihnen zu sein - die kommen ja nicht freiwillig nachts hierher", wird Schwester Sabine später erklären, natürlich lächelnd.

Vorerst ist es mäuschenstill in der Chirurgischen Ambulanz. Im Aufenhaltsraum genießt Dr. Tim Büchner die Ruhe im Halbdunkeln, der Fernseher schweigt, auf dem Tisch stehen Nachtdienst in der Ambulanz: Der Arzt.  Foto: Peter GollnikKaffeekanne und Milchtüte, im Regal ganz unten ein Ordner "Einsatzpläne bei Katastrophen", an der Wand noch die Tipps von der Fussball-EM, Dr. Büchner hat recht oft daneben gelegen. Das Rendsburger Kreiskrankenhaus ist in dieser Nacht "abgemeldet" für Intensivbehandlungen, heißt: Sämtliche Intensivplätze sind voll, Schwerst-Verletzte sollten möglichst in andere Krankenhäuser gefahren werden.

Seit 7 Uhr früh ist Büchner im Dienst, erst "die Stationsarbeit", dann "ging's ab zum Operieren, der ganz normale Ablauf eben", erzählt der 33-jährige Vater einer kleinen Tochter, im siebenten Jahr Arzt, Chirurg. Bis 7.30 Uhr hat er jetzt "Bereitschaftsdienst", ein "ganz normaler Ablauf eben". Aber: "Ich würd' nichts anderes machen"; und: "Bei uns werden Sie auch niemanden finden, der etwas anderes machen möchte".

1.15 Uhr. War da eben Ruhe? Gleich drei Patienten sind urplötzlich da, Gallenblase, eine große Platzwunde, akutes Harnverhalten. Schwester Sa- bine ist überall: "Schön ruhig liegen bleiben, bitte"; fix ihre Schritte auf dem Flur: "Alles gut bei Ihnen?"; und weiter: "Sagen Sie mir bitte Ihren Namen"; dazwischen schnelles Klackern der Computer-Tastatur.

Dr. Büchner pendelt zwischen drei Patienten gleichzeitig vorbei: "Pass auf, gib' ihm 'ne Nadel in den Arm", Wortfetzen aus den Behandlungsräumen, hier ein beruhigendes "Ist alles in Ordnung!", dort: "Haben Sie Stuhlveränderungen gehabt?", zwischendrin Schwester Sabine: "Tim, du musst dringend hier her!", das Klackern von Nadeln in eine Metallschale, ein "und nun geht's zum Röntgen, wir treffen uns gleich wieder!"

1.50 Uhr: Kurzer Abstecher in den Aufenthaltsraum, ein schneller Schluck vom kalt gewordenen Milchkaffee - und nicht die Spur Hektik zu erkennen. "Die Professionalität" mache das, lacht Dr. Büchner, hellwach, die Ruhe selber. Rettungswagen vor der Ambulanz. - Foto: Peter J. GollnikSchon ist er wieder unterwegs, "83/1" rollt soeben an, der Ret- tungstransportwagen des Kreises. Rettungssanitäter Gerd Boschen und Matthias Klaus heben die Trage mit einem jungen Mann heraus, überall Blut, eine Alkoholwolke über allem: Kneipenschlägerei irgendwo in Rendsburg, die Scherben der Bierflaschen werden nachher in die Metallschale klackern.

Alkohol und Unfallchirurgie: Was wäre, wenn ein Patient partout meint, randalieren zu müssen? "Natürliche Autorität", sagt Dr. Büchner, das wirke fast immer Wunder.

Fast immer. Später in dieser Nacht, lange nach 2 Uhr, wird der Alkohol so geballt und zahlreich auftreten, dass auch die Autorität des Arztes sich helfen lassen muss - da kam dann die Polizei.

Für Dr. Tim Büchner wird die Nacht um 7.30 Uhr zu Ende sein, der Tag gehört dann Ehefrau und Tochter. Dieser Tag. "Diesen Monat sind's drei Wo- chenenddienste für mich", hat er irgendwann zwischen 1 und 2 Uhr beiläufig gesagt. Schwester Sabine wird um 6.30 Uhr nach Hause gehen - und in drei Wochen Urlaub, in denen sie mal nicht "Schwester" Sabine ist, sondern einfach Sabine Koll heißt.

PETER J. GOLLNIK, Juli 2004

 

 

 

 

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