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18. Okt. 2000


Vortrag im Kieler Schloss;
Veranstalter: Deutsch-polnische Gesellschaft
und Landeszentrale für politische Bildung

Thema: Probleme im deutsch-polnischen Verhältnis
im Hinblick auf die gesamteuropäische Entwicklung

Nach Stichwortliste autorisierte Fassung (gekürzt)

 

"Polen will nicht nach Europa - Polen will zurück nach Europa"

((Sehr geehrter Herr Konsul, sehr geehrter Herr Dr. Harbeck, meine Damen und Herren))

Ich gebe zu, dass ich mit diesem Thema doch einige Schwierigkeiten hatte. Wo sind sie denn, die Probleme im deutsch-polnischen Verhältnis - ich meine: wirkliche Probleme, schwere Steine, die im Wege liegen. Wohin ich blicke, sind Städtepartnerschaften zwischen beiden Staaten entstanden, Schulpartnerschaften sind gefolgt, deutsch-polnische Gesellschaften haben sich gebildet, beziehungsweise bestehende haben weiteren Zulauf von immer mehr Interessierten bekommen. Seit 1993 gibt es ein deutsch-polnisches Jugendwerk, deutsch-polnische Literaturgespräche finden regelmäßig statt, in Frankfurt am Main steht die Buchmesse ganz im Zeichen Polens, ein reger Kulturaustausch ist im Gange. Seit 1994 leben wir in einer "Partnerschaft für den Frieden", unsere Militärs stehen sich nicht mehr gegenüber sondern üben gemeinsam. Gerade heute geht bei Eggesin ein gemeinsames Manöver zu Ende, das "Hanse-Korps" mit einem polnisch-deutsch-dänischen Kommando sitzt in Stettin. Und in europäischem Rahmen gab es europäisches Bewußtsein schon lange, bevor das in westeuropäischen Ländern der Fall war. Polen will ja auch nicht nach Europa - Polen will zurück nach Europa. Es ist viel geschehen in den vergangenen zehn Jahren. Wo also sind die Probleme, gerade im Hinblick auf die derzeit ablaufende gesamteuropäische Entwicklung? Ich glaube, wir bereiten sie uns selber, wir schaffen sie uns erst. Wir starren auf die kleinen Stolpersteinchen statt sie fortzuräumen und vergessen darüber den Blick auf die Zukunft, die Vision.

Bei einer Diskussionsrunde in Stockholm - sie liegt einige Jahre zurück - hat ein schwedischer Kollege von mir - Svante Weyler - als seine Vision von einem "Europa im Jahre 2010" etwa so formuliert: Autobahn-ähnlich verbindet die "Via Hanseatica" Stettin mit Bremen und weiter bis Paris, Hamburg mit Danzig, Kaliningrad, St. Petersburg; mit einem "Ostsee-Ticket" lassen sich problemlos Zugverbindungen und Fähren von Kiel nach Danzig, von Stettin nach Stockholm, nach Helsinki benutzen. Das Wort "Visum" bleibt dabei ein Fremdwort, Zollformalitäten sind wie alle Handelshemmnisse entfallen; private Unternehmen haben im Baltikum, in Russland und vor allem in Polen einen wirtschaftlichen Wohlstand erzeugt; niemand leidet mehr Not, niemand muß mit Neid auf die "reichen Nachbarn" sehen - die Region ist - bei Wahrung aller nationalen Einheiten - zu einem europäischen Familien-Teil geworden.

So könnte Europa 2010 sein. Der Kollege Weyler hob dann aber auch seinen Kritik-Finger: Der derzeit sichtbare Stand der Dinge - und das gilt heute ebenso wie damals in Stockholm - sei ein anderer: Es mangele weiterhin an ausreichend tatkräftiger Hilfe für diesen Weg in ein Europa 2010. Und - das war der Selbstkritik dieser Diskussionsrunde geschuldet: Die politische Führerschaft Deutschlands (wie auch Schwedens) habe eine lange, starke Tradition - nämlich eine Tradition der Nichtaktivität.

Der Kollege nannte auch einen möglichen Grund: Es gebe eine starke Tendenz zur "Innenbeschau", zu allererst beschäftige man sich mit seinen jeweiligen innenpolitischen Themen; Weitsicht, über die Grenzen hinweg, sei kaum zu bemerken. Auch vom Bürger nicht - mit der Folge: "Die Leute kreuzen die Finger vor den Brüdern und Schwestern auf der anderen Seite der Grenze".

Meine Damen und Herren, da haben wir Anspruch, Wirklichkeit und Wirkung. Die Wirkung , nämlich das Kreuzen der Finger vor den Brüdern und Schwestern auf der anderen Seite der Grenze, sehen sie im Kommerz-Fernsehen bei Harald Schmidt mit seinen Witzen über Polen und die Polen. Das Medium Fernsehen transportiert das in die Wohnstuben, dort wird es - sehr oft sehr unreflektiert - aufgenommen, alles lacht, es setzt sich im Kopf fest - so wird ein Vorurteil festbetoniert. Solche Witze werden schließlich in Schulen erzählt, so nehmen nicht begründete Ablehnung, Menschenverachtung, extremer Nationalismus ihren Weg in die Köpfe einer kommenden Generation.

Die Wirklichkeit - Weyler führte die Tendenz zur "Innenbeschau" an, die vorrangige Beschäftigung mit innenpolitischen Themen, sieht unter anderem so aus: Polens innigster Wunsch an die Staaten der jetzigen Europäischen Union heißt: "Gebt uns ein Datum". Tatsächlich hatten einst ein Helmut Kohl wie ein Jacques Chirac, Italiener wie Belgier die Arme weit ausgebreitet, von der EU-Vollmitgliedschaft für Polen wie für Ungarn und Tschechien schon zum Millennium lauthals geträumt. Das Datum hat Polen sich schließlich mit dem Jahr 2003 selber setzen müssen - aus Brüssel, aus Bonn, jetzt aus Berlin ist bis heute keine definitive Antwort gekommen.

Die Gründe liegen nicht unbedingt bei Polen - man bemüht sich in Warschau redlich, die tausende von Seiten des Regel- und Rahmenwerks der Europäischen Union abzuarbeiten, bis 2002 soll zumindest die politische Apparatur EU-konform sein. Die Gründe liegen auch nur vordergründig in dem so schrecklich schwergängigen Reformprozess, dem sich die Union gerade versucht zu unterziehen, und der offenbar viel zeitraubender ist als gedacht. Die Gründe liegen vielmehr ganz wesentlich - und da sind wir bei der "Innenbeschau" - in der Innenpolitik der beiden mächtigsten EU-Staaten Deutschland und Frankreich - nämlich in deren Wahlterminen: In Berlin (ähnlich gilt das für Paris) trachtet man schlichtweg danach, so heikle Themen wie die finanziellen und sozialen Folgen der Osterweiterung (Stichwort Zuwanderungsdruck) aus den Wahlkämpfen herauszuhalten. Das heißt schlichtweg, dass die Neuordnung der EU erst nach 2002 abschließend verhandelt werden würde - mit entsprechenden Auswirkungen auf den Abschluß der Beitrittsverhandlungen, die dann - nicht auf den Sankt Nimmerleinstag - aber auf 2005 oder gar 2006 geschoben würden.

Solche Überlegungen (sie sind ja nachvollziehbar), das alles - und da sind wir auch bei den Problemen im deutsch-polnischen Verhältnis - geht über die Köpfe in Warschau hinweg, wird ohne den Partner, das künftige europäische Familienmitglied, entschieden.

Es erinnert im übrigen an das in der Zeit des Mauerfalls von der Kohl-Regierung zerschlagene Porzellan im deutsch-polnischen Verhältnis, als die Deutschen und die Alliierten alles unter sich ausmachen wollten. Eine gar nicht putzige Anekdote gibt es von damals, als Bonn und Moskau den Rückzug der sowjetischen Truppen aus Deutschland beschlossen - und / wirklich ! / ganz und gar vergaßen, in Polen wegen des notwendigen Transits nachzufragen. So etwas hängt nach. In der Geschichte gibt es andere Beispiele - und die sind immer negativ für Polen ausgegangen.

Aktuell entnahm ich gestern der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, dass die aus solchen Erfahrungen resultierende polnische Forderung "Nichts über uns ohne uns" gerade wieder einmal übergangen wird, bei den Bestrebungen Westeuropas - und maßgeblich damit der Bundesrepublik Deutschland - , sich in der Energieversorgung stärker an Russland anzubinden. Nun versucht man offensichtlich bei der Trassierung einer neuen Erdgasleitung den Weg durch die Ukraine zu vermeiden. Für Polen ist das ein hochrangiges Politikum; die Ukraine - mit ihrer nicht unwesentlichen polnischen Minderheit - gilt als strategischer Partner, ihre staatliche Selbständigkeit sozusagen als Unterpfand für die Unumkehrbarkeit der politischen Neuordnung Mittel- und Osteuropas. Nicht nur Polen argumentiert, dass eine Ausklammerung der Ukraine aus einer Beteiligung an der Energieversorgung des Westens es Moskau leichter machen könne, Kiew politisch zu erpresssen, womöglich sogar "heimzuholen".

So komplex kann gesamteuropäische Entwicklung sein, so dringend notwendig ist eine rechtzeitige Einbeziehung aller betroffenen Partner in die Planung dieser Entwicklung - und so leicht kann durch Unsensibilität Porzellan zerschlagen werden.

Es wird gesagt, die staatlichen Beziehungen zwischen Polen und Deutschland seien so gut wie seit mehr als zweieinhalb Jahrhunderten nicht mehr. Das stimmt ganz sicher, wenn man sich diese vergangenen zweieinhalb Jahrhunderte mal genauer ansieht. Tatsächlich hat sich Deutschland am nachdrücklichsten für den Beitritt Polens zur Nato und zur EU ausgesprochen. Der frühere Kanzler Helmut Kohl behauptete sogar gern, der beste Freund Polens zu sein und sein Anwalt auf dem Weg zur EU.

Latente in Polen weiterhin vorhandene Ängste hat er damit nicht ausgeräumt (und auch seinem Nachfolger ist das bisher nicht gelungen). Der Landkauf Deutscher in Polen etwa wird dort von einzelnen Gruppierungen immer wieder zu einer drohenden Germanisierung Polens hochgespielt; Verunsicherung tritt auf, wenn etwa die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, immer wieder ein "Rückkehrrecht in die Heimat" einfordert. Bestehen nun Territorialforderungen oder nicht? Die deutsche Regierung sagt, wir unterstützen solche Rufe nicht - aber das Thema bleibt dennoch ständig in der Diskussion.

Als der jetzige deutsche Kanzler Gerhard Schröder 1998 noch ein Kandidat für den Stuhl des deutschen Regierungschefs war, sagte er - das war bei einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Warschau - "Verzögerungsstrategien im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung lehne ich ebenso ab wie einen überhasteten Abschluß von Beitrittsverhandlungen. Und: "Ich kann ihnen versichern, daß eine sozialdemokratische Bundesregierung den EU-Beitritt Polens unter keinen Umständen mit Forderungen der Art belasten wird, wie sie jüngst wieder von deutschen Vertriebenen-Organisationen erhoben worden sind. Es sind aus meiner Sicht keine bilateralen Fragen zwischen Polen und Deutschland, die geregelt werden müßten, bevor Polen der EU beitreten kann." Das dürfte auch heute weiter gelten.

In Schröders damaliger Rede fand ich auch den Satz: "Polen ist ein europäisches Kernland, ein Land in der Mitte Europas, und dort ist auch sein natürlicher politischer Platz". Das untermauert Perspektiven, so sie denn nachhaltig genug verfolgt werden. Ich fand es in diesem Zusammenhang interessant, daß der damals noch amtierende Außenminister Polens, Bronislaw Geremek, geradezu euphorisch auf Joschka Fischers Mitte Mai an der Berliner Humboldt-Universität vorgebrachte These einer europäischen Avantgarde reagierte, die als eine Art "Gravitationszentrum" die europäischen Integrationsprozesse vorantreiben solle. Geremek interpretierte das umgehend so: Fischers Vorschläge schrieben Polen eine Stellung in Europa zu, die dem Land bisher noch nie anerkannt worden sei. Geremek wörtlich: "In Fischers Vorstellung von der Avantgarde einer europäischen Integration gibt es sehr wohl einen Platz für Polen, gleich neben den Gründern der EU, Deutschland, Frankreich und Großbritannien." Und dann: "Der Rest hängt von uns ab. Entweder wir nutzen diese einmalige Chance, oder wir vertun sie, letzteres würde uns niemand verzeihen".

Hanna Suchocka, als Ministerpräsidentin auch schon mal die "Margret Thatcher Polens" genannt, Hann Suchocka hat in einem Interview mit dem Deutschén Sonntagsblatt einmal auf die Frage geantwortet: "Was erwarten Sie konkret von Deutschland?": "Mehr Investitionen, bessere wirtschaftliche Zusammenarbeit. Wir hoffen und glauben, daß uns Deutschland beim Beitritt zu EU und NATO helfen wird". Ein Stückchen weiter in dem Interview sagt sie: "Wir warten nur. Das einzige was geschieht, sind endlose Diskussionen".

Das hat - wohl wahr - sehr oft nicht nur den Anschein.
Meine Damen und Herren, politische Entwicklung kann sehr zähflüssig sein, gerade hier bei uns vor der Haustür, im Ostseeraum ist das sehr gut zu beobachten. Probleme, die auf dem Weg in eine gemeinsame Zukunft sich in den Weg stellen, gehören gemeinsam ausgeräumt. Das fängt in den Köpfen der einzelnen Bürger an. Diffuse Vorbehalte gegenüber Familienmitgliedern und solchen, die es gerade werden, zerstören jeglichen Familien-Geist. Wir müssen von der unsäglichen "Innenbeschau", diesem politischen Autismus endlich wegkommen, wir müssen gemeinsam, als Familie, denken - in der Politik müssen wir europäisch handeln, wenn wir denn als Deutsche oder als Polen Europäer sein wollen - und das wollen wir. Nur so kann sich die eingangs wiedergegebene Vision vom "Europa 2010" auch erfüllen. Daran haben wir noch zu arbeiten.

PETER J. GOLLNIK
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