AKTUELL: AUSCHWITZ-HÄFTLING 227
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"Dass Sie Weißgott allen Grund gehabt hätten, Deutschland und die Deutschen zu hassen"

 

Ansprache
von Botschafter Frank Elbe
anl. der Übergabe der Insignien des diesem von Bundespräsident Johannes Rau verliehenen Bundesverdienstkreuzes am Bande an Herrn Jerzy Hronowski
am Dienstag, dem 02. April 2002, in der Residenz

 

Sehr geehrter Herr Minister, Herr Stadtpräsident,
liebe Gäste aus Flensburg, ...........
......
vor allem aber sehr geehrter Herr Hronowski, drogi panie Jerzy,

 

es ist mir eine besondere Freude, Ihnen heute, an Ihrem 80. Geburtstag, Urkunde und Insignien der Auszeichnung zu übergeben, die Ihnen Bun-despräsident Johannes Rau in Anerkennung Ihrer besonderen Verdien-ste um die Bundesrepublik Deutschland verliehen hat.

Heute vor 80 Jahren wurden Sie als Jerzy Baron in Zkoczów geboren, das heute zur Ukraine gehört. Als 18-jähriger wurden Sie am 14. Juni 1940 in Nowy Sacz verhaftet und als einer der ersten polnischen Häft-linge mit 700 anderen jungen Polen nach Auschwitz gebracht, wo Sie beim Aufbau des Stammlagers mitwirken mussten. Ebenso unerklärlich wie Ihre Verhaftung war Ihre Freilassung anderthalb Jahre später. Die Freiheit war aber nur von kurzer Dauer.

Denn, nachdem Sie vorübergehend in Kraków, Lemberg und Pzreworsk gelebt hatten, wurden Sie im Juni 1943 in Warschau festgenommen und nach zwei Monaten in der Gestapo-Zentrale Ende August desselben Jah-res wieder nach Auschwitz gebracht, wo Sie im Lager Auschwitz II Bir-kenau arbeiteten. Im Oktober 1944 kamen Sie nach Oranienburg, das Zweitlager des KZ Sachsenhausen, und wurden einer deutschen Baufir-ma als Zwangsarbeiter zugeteilt. Sie wurden sogar für sogenannte medi-zinische Versuche missbraucht. Als einer von Wenigen überlebten Sie den Todesmarsch vor den heranrückenden sowjetischen Truppen. Im Oktober 1945 schließlich fanden Sie Ihre Familie in Hirschberg wieder.

Ich habe diese biographischen Angaben aus Ihrer Jugendzeit - Sie waren zum Zeitpunkt Ihrer ersten Verhaftung gerade 18, zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung mit Ihrer Familie gerade 23 - bewusst etwas ausführ-licher dargestellt, um deutlich zu machen, dass Sie weißgott allen Grund gehabt hätten, Deutschland und die Deutschen zu hassen für die Ihnen gestohlene Jugend, für das Leid, von dem Sie selbst betroffen waren, für die Leiden, die Deutsche über Ihr Land und Ihre Landsleute brachten, für die Leiden, die Sie in Birkenau und Oranienburg erlitten haben und mit ansehen mussten. Und doch haben Sie dies nicht getan.

Auch wenn es Sie einige Zeit gekostet hat, sich über Ihren persönlichen Umgang mit Ihrem schweren Schicksal klarzuwerden. Nur wenige Jahre nach Kriegsende kehrten Sie nach Auschwitz an den Ort Ihrer Leiden zurück, um Besucher zu betreuen und ihnen aus eigenem Erleben die Wahrheit schildern, ja Sie lebten sogar wieder an diesem für Sie mit schrecklichen Erinnerungen verbundenen Ort. Seit Anfang der 60-er Jahre haben Sie auch unzählige deutsche Besuchergruppen betreut, Ju-gendgruppen, Schulklassen, Gewerkschafter, kirchliche Gruppen und andere. Frühzeitig arbeiteten Sie mit der Aktion Sühnezeichen und der Internationalen Jugendbegegnungsstätte Auschwitz zusammen. Damals, so kurz nach Kriegsende, war das keineswegs selbstverständlich,

Dabei ging es Ihnen neben dem Wachhalten der Erinnerung zugleich immer um die Aussöhnung über die Gräben und Gräber der Vergan-genheit hinweg und um die Verständigung zwischen unseren beiden Völ-kern. Dieses Engagement haben Sie trotz Ihres angegriffenen Gesund-heitszustandes und hohen Alters bis in die jüngste Zeit fortgeführt. Ich möchte nur an Ihre Reise nach Schleswig-Holstein vor knapp zwei Jah-ren erinnern, die Sie auf Einladung der deutsch-polnischen Gesellschaft mit Unterstützung der Ministerpräsidentin durchgeführt haben und bei der Sie in Schulen, bei der Landeszentrale für politische Bildung und in Bildungsstätten für Erwachsene aktiv für eine Verständigung zwischen den Völkern und die stete Erinnerungsarbeit an die Vergangenheit ein-getreten sind. Dies ist auch Ziel Ihres Buches, das Sie zusammen mit zwei Studenten schreiben.

Sehr geehrter Herr Hronowski,

Zeit Ihres Lebens haben Sie sich beispielhaft und in bemerkenswerter Weise für die Aufarbeitung des Kapitels Auschwitz in der Geschichte un-serer Völker eingesetzt, sind trotz Ihres eigenen schweren Erlebens vor-urteilsfrei auf die Deutschen zugegangen und haben dies in einer Zeit begonnen, in welcher das Verhältnis zwischen Polen und Deutschen auf-grund der noch nicht allzu lange Zeit zurückliegenden Kriegsereignisse ganz überwiegend von Misstrauen und Feindseligkeit geprägt war. Sie haben damit ganz wesentlich zur Verständigung zwischen unseren beiden Völkern beigetragen und sich so in besonderer Weise um die Bundesrepublik Deutschland verdient gemacht.

Lassen Sie mich jetzt die Verleihungsurkunde verlesen und Ihnen die Insignien der Ihnen verliehenen hohen Auszeichnung überreichen.

 

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