AUSCHWITZ-HÄFTLING 227 IST TOT | ||||||
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"Ich gebe zu, dass es mich stört, dass ich, der ich einen Grossteil meines Lebens dieser Arbeit gewidmet habe und diese zumindest von polnischer Seite aus mehr oder weniger alleine dort aufgebaut habe, dort nicht mit einem Wort erwähnt werde." Jerzy Hronowski "Man muss verzeihen, um zu bewältigen" Jerzy Hronowski ist tot Er hat Auschwitz überlebt, Kriegswirren, den "Todesmarsch", war zuletzt 83 Jahre alt - seit Januar 2006 lebt Jerzy Hronowski nicht mehr. Tot wurde er im Badezimmer seiner Warschauer Wohnung gefunden, viel Blut um ihn herum; im Wohnzimmer fehlten zwei Bilder, sehr wertvoll, von Stanislaw Ignacy Witkiewicz, sie zeigen seine Mutter, Kristina Baran. Von einem "natürlichen Tod" habe ihr die ermittelnde Staatsanwältin viel später erzählt, berichtet Katarina Bader ein Jahr danach in der "Süddeutschen" - "plötzlicher Kreislaufzusammenbruch. Das Blut stamme von dem Sturz, bei dem er sich den Kopf anschlug. Zwei Wochen nach der Beerdigung war die Akte geschlossen worden. Über die Bilder steht in ihr nichts." Jerzy Hronowski hatte zu den ersten gehört, die in das deutsche Vernichtungslager Auschwitz verschleppt worden waren: 17 Jahre jung war er, der damals noch Jerzy Baran hieß, als er dort auf dem linken Unterarm die Nummer 227 eintätowiert bekam - gebranntmarkt wie Schlachtvieh. 1942 wurde der junge Pole aus Auschwitz wieder entlassen - auch das hat es in der deutschen Mörder-Bürokratie gegeben. Nicht lange: Eineinhalb Jahre später, im Juni 1943 wurde er erneut verhaftet, erneut wie Vieh nach Auschwitz verfrachtet, erneut wurde er zur Nummer - 138 793 kann man seit dem auf seinem Arm ablesen. Jerzy Hronowski machte Unmenschliches mit, gehörte zu den Wenigen, die Auschwitz überlebten, bis hin zum "Todesmarsch", der Massendeportation von Auschwitz-Häftlingen durch die SS in andere Lager. Zehn Jahre später, über den Wunden haben sich noch lange keine Narben gebildet: Hronowski gehört zu denen, die gegen eine Unterschiedlichkeit in der Geschichtsschreibung ihre Stimme erheben; mit Vehemenz tritt er für eine Abstimmung der Sichtweisen ein - die deutsch-polnische Schulbuchkonferenz wird auch wegen seiner Forderungen aus der Taufe gehoben. "Aktion Sühnezeichen", in kirchlichen Kreisen in der DDR entstanden, macht sich Versöhnung als Ziel zu eigen, organisiert Besuche in ehemaligen Konzentrationslagern, Treffen mit Zeitzeugen, versucht Aufarbeitung. Im Umfeld der evangelischen Kirche im Westen Deutschlands versuchen Einige, nachzuziehen, ohne ideologische Verbrämung, aber erlebbar gegen politische Widerstände.
Ist das schon wieder fünf Jahre her? Viel zu spät kam ich damals im Januar 2000 ins Kieler Schloss, ein Jerzy Hronowski sollte reden, zum Thema "55 Jahre danach". Jerzy Hronowski - der Name, der Mensch, das sass ganz tief in meinem Gedächtnis. 30 Jahre zuvor hatte ich einem Jerzy Hronowski mit offenem Mund zugehört, in Oswiecim, Auschwitz auf deutsch. Mit einer der ersten Aktion-Sühnezeichen-Gruppen (West) war ich dort zum "Arbeitseinsatz". Viel wichtiger als die Arbeit: Die Gespräche. Mit Jurek, oder mit Tadeusz, der auf dem Birkenau-Gelände die Gras-Senke zeigte und nur sagte: "Fass da mal rein" - zwei Zentimeter unter der Grasnarbe Knochensplitter, Asche, auch ein geschmolzenes Brillenglas. Das vergisst man nicht. Jetzt sind es 30 Jahre später; nach dem Vortrag gehe ich auf Jurek zu, spreche ihn an - er nimmt mich in die Arme, minutenlang, hat mich erkannt, 30 Jahre danach. Übernachten wird er bei Friedrich; am nächsten Tag werde ich ihn nach Flensburg zu Peter Rautenberg fahren. Anerkennung hat er nie verlangt dafür, die Botschaft auf fruchtbaren Boden fallen zu sehen, war ihm Erfüllung. Dass das Bemühen um Verständigung zwischen den Völkern dennoch anerkannt wird, daran war einigen Freunden sehr gelegen. Ein Lebenswerk, ein Einsatz für ein ganz großes Ziel sollte gewürdigt werden. Und wurde es auch: Am 2. April 2002 erhielt der Pole Jerzy Hronowski in der Warschauer Residenz des Deutschen Botschafters in Polen, Frank Elbe, das ihm von Bundespräsident Johannes Rau verliehene Bundesverdienstkreuz am Bande übergeben. Eine kleine Anerkennung. PETER J. GOLLNIK Katarina Baders Erinnerung an Jerzy Hronowski - "Herr Hronowski und ich" auf "jetzt.de/Süddeutsche Zeitung". Als Podcast: "Herr Hronowski und ich" mit Jureks Stimme, SWR-Sendung von Katarina Bader auf podcast.de "Jureks Erben, vom Weiterleben nach dem Überleben", von Katarina Bader, Kiepenheuer & Witsch, ISBN 978-3-462-04200-9, 272 Seiten, 18.95 (D), Deutschlandradio, Katarina Bader im Gespräch über ihr Buch
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