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28./29.05.01

Forum der Ostsee-Bürger

Lübeck (-nik) Als Einstieg in ein Ostsee-Netzwerk hat der Vorsitzende des Ausschusses Hoher Beamter des Ostseerates, Botschafter Hans Jürgen Heimsoeth, gestern beim Forum von Bürgerorganisationen aus den Ostseeländern in Lü-eck die dort erarbeiteten Schlussfolgerungen gewertet. Die Stellungnahme der Bürgerorganisationen wird den nächste Woche in Hamburg tagenden Außenministern aller Ostsee-Staaten vorgetragen werden. Ein nächstes Treffen wollen die Nichtregierungs- Organisationen selbst organisieren; es soll im Zuge der kommenden russischen Ostseerats-- Präsidentschaft in St. Petersburg stattfinden.

In ihrer Lübecker Erklärung erinnern die etwa 150 Vertreter von nichtstaatlichen Organisa- tionen die Regierungen unter anderem an deren Verpflichtung, ungehinderten Zugang zu Informationen zu gewährleisten; sie fordern, die Verwirkli-hung aller Menschenrechte an die Spitze der Prioritätenliste zu setzen; sie appellieren an den Ostseerat, sich gegen eine Agrar- und Fischereipolitik zu wenden, die die Ökosysteme schädigt und kritisieren Defizite an Offenheit und Transparenz in Russland bezüglich der dortigen Sicherheitsrisiken bei der Atomindustrie. Für Freiwilligendienste im Ostseeraum fordern sie einen eigenen Rechtsstatus und eine freizügige Aufenthaltsregelung; aus der vorbereitenden Arbeitsgruppe war auch eine Zertifizierung dieser Dienste verlangt worden.

"Wir möchten respektiert werden als Partner", formulierte ein Teilnehmer die Wünsche der Bürgerorganisationen, und: "Wir bieten die Zusammenarbeit an". Zusammenarbeiten wollen die Organisationen auch mit den Parlamenten; erstmals werden sie sich im Vorfeld der Ostseeparlamentarier-Konferenz im November in Greifswald dort zum Thema Zivilgesellschaft einbringen. Für die weitere Diskussion kündig- ten deutsche Teilnehmer eine Internet-Seite an: www.cbss-ngo.de; Dänemark ist bereits mit www.cbss-ngo.dk im Netz.

dazu Kommentar

erschienen 30.05.01, Kieler Nachrichten


 

28./29. Mai 2001

Das Treffen der "Graswurzeln"

Nichtregierungs-Organisationen aus den Ostsee-Ländern suchen in Lübeck gemeinsame Plattform  

Ihre Felder sind das Knüpfen von Jugend-Kontakten, das Drängen auf mehr Umweltschutz, auf Einhaltung von Menschenrechten, freien Informationszugang oder schlicht direkte Nachbarschaftshilfe - "Graswurzel-Initiativen" hat man sie benannt, und im Ostseeraum gehören sie zu den Motoren grenzüberschreitender Zusammenarbeit in Wirtschaft und Wissenschaft, in der Kultur, beim Jugendaustausch: In Lübeck treffen sich ab Montag Vertreter von mehr als 150 dieser "Nichtregierungs-Organisationen" aus allen Ostseeanrainer-Staaten.

Als erstes Forum dieser Art wollen die Gastgeber Bundesregierung und Land Schleswig-Holstein das Lübecker Treffen verstanden wissen; ein ähnliches Treffen fand aber auch schon in diesem Frühjahr in Dänemark statt, auch bieten besonders in den drei baltischen Staaten – in Tallin, Riga und Vilnius – Zentren als Anlaufstellen und ständige Kontakteinrichtungen Foren für Nichtregierungs-Organisationen, die nach Bündelung ihrer Kräfte über Netzwerke suchen. Lübeck soll dennoch markanter Punkt bei der Sammlung der nicht-staatlichen Kräfte und der Einbeziehung ihrer Aktivitäten in die Entwicklung des gesamten Ostseeraumes werden. Wichtigstes schon jetzt angekündigtes Ergebnis: Der Start einer für alle zugänglichen Datenbank zu Förderprogrammen für die Nichtregierungs-Organisationen im Ostseeraum am Dienstag.

Daran hat es bisher aller dingsgemangelt. Seit das Land Schleswig-Holstein im Jahr 1988 mit der Einrichtung von "Partnerschaften" Grundlagen schuf, mit deren Hilfe Kooperationsprojekte EU-Förderung bekommen konnten, hat sich an Unterstützung für private Initiativen jedenfalls von deutscher Seite nicht mehr viel getan. EU-Förderungsprogramme bestehen zwar in den verschiedensten Bereichen – allein die korrekte Berücksichtigung aller Antrags-Erfordernisse stellt eine Wissenschaft für sich dar. Hinzu kommt, dass Initiativen, die kein Eigenkapital und keine Finanzierungsstrategie vorweisen können, ohne das Wohlwollen (und eine Start-Finanzierung) nationaler Ämter nur geringe Chancen auf Hilfen aus Brüssel haben. Problemloser helfen andere: Etwa die US-Baltic Foundation, die Soros-Stiftung und mehr oder weniger versteckte Regierungsfonds nicht nur skandinavischer Staaten. Die Euro-Fakultät in Kaliningrad, dem früheren Königsberg etwa, die mit stolzer Berliner Beteiligung als Schmuckstück deutscher Ostseerats-Präsidentschaft eingeweiht wurde, wäre ohne Millionenhilfe aus Etatposten der USA-Regierung kaum denkbar.

Dass das Lübecker Forum solche Defizite grundsätzlich abbauen kann, erwartet niemand; dass es wirklich alle Initiativen an einen Tisch bringt, auch nicht. Allein das Sammeln des Straußes an kulturellen, sozialen, an umweltpolitischen, auch kirchlichen Initiativen in allen Staaten des Ostseeraumes muss an quantitative Grenzen stoßen. Am Beispiel Kaliningrad skizzierte das unlängst das Kieler Institut für Friedenswissenschaften an der CAU in einem für den schleswig-holsteinischen Landtag erstellten Bericht etwa so: "Wie viele NGO’s (Nichtregierungs-Organisationen) in Kaliningrad tatsächlich aktiv sind, weiß niemand" – auf Fragen sagten die einen, "es gäbe 600 von ihnen, andere sprechen gar von 900". Für Lettland listet das dortige Zentrum der Nichtregierungs-Organisationen gut 700 gemeinnützige Initiativen, Interessengruppen, Stiftungen auf. Der Kaliningrad-Bericht der Kieler Forscher bekam übrigens seinen Anstoß durch ein gemeinsames Memorandum des Schleswig-Holsteinischen Landtages und der Kaliningrader Gebietsduma aus dem Januar 2000. Unter anderem ist darin die Absicht festgeschrieben, "die Zusammenarbeit mit Nichtregierungs-Organisatio nen (NGOs) zu intensivieren und dabei deren Erfahrung und Wissen für den gesellschaftli chen Übergangsprozess nutzbar zu machen" sowie "die Entwicklung einer Zivilgesellschaft zu fördern". In ihrer 145 Seiten umfassenden Studie skizzieren die Autoren auch 35 Vorschläge für die Umsetzung eines partnerschaftlichen Konzeptes. Unter anderem regen sie an: "Die Aufnahme direkter Kontakte zu den Kaliningrader NGOs und Beratung über Möglichkeiten zur Realisierung ihrer Wünsche und Bedürfnisse", die Überwindung finanzieller Hürden mittels "Erarbeitung eines Ratgebers mit Hinweisen auf finanzielle Förderprogramme", "Gewinnung von Sponsoren für Kleinprojekte, Gespräche mit Stiftungen" sowie die Einrichtung einer Kontaktstelle mit "Informationen über Projekte, Veranstaltungen". Die Autoren (Hanne Birckenbach, Christian Wellmann): "Je mehr es gelingt, die Zivilgesellschaft und die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in Kaliningrad extern abzustützen, um so mehr wird deutlich werden, dass dies auch dazu beiträgt, die zivilgesellschaftliche Arbeit in Schleswig-Holstein erfah ungsgestützt weiterzuentwickeln. Transnationale Zusammenarbeit geschieht dann nicht allein aus karitativen Motiven, sondern auch im eigenen Interesse".

Peter J. Gollnik    
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erschienen 26.05.01, Kieler Nachrichten


 

NGOs: Nicht soviel reden

Lübeck (-nik) Deutschland läge viel daran, als eine der Stärken der Ostseekooperation die aktive und engagierte Zivilgesellschaft hervorzuheben. Mit dieser Absichtserklärung hat die Ende Juni auslaufende deutsche Ostseerats-Präsidentschaft das heute in Lübeck beginnende zweitägige Forum für Nichtregierungsorganisationen (NGO) im Ostseeraum begründet.

Für die Veranstalter Landesregierung Schleswig-Holstein und Auswärtiges Amt eröffnen Ministerpräsidentin Heide Simonis und Staatsminister Christoph Zöpel die Zusammenkunft der Vertreter von mehr als 150 NGOs. Als "Markt der Ideen" sollen morgen die Ergebnisse der Diskussionen aus den Bereichen Umweltschutz, Zivilgesellschaft und Menschenrechte, Jugendzusammenarbeit, Freiwilligendienste, Informationszugang sowie Zusammenarbeit mit Regierungsorganisationen präsentiert werden.

Im Programm der deutschen Ostseerats-Präsidentschaft ist die in Lübeck verfolgte Zielsetzung einer von fünf Schwerpunkten. In der Vielfalt der Aktivitäten unterschiedlichster Verbände, Netzwerke und Unternehmen im Ostseeraum sei es sinnvoll, auch gemeinsame Ziele und identitätsschaffende Orientierungen zu suchen, hatte Staatsminister Zöpel die deutsche Initiative erklärt. Es gelte, den Kontakt zu den anderen in der Region operierenden Organisationen zu suchen und die Identität des Raumes auch durch das Zusammenwirken oder die Straffung des institutionellen Rahmens zu verbessern.

Am Rande des Lübecker Treffens wollen deutsche Teilnehmer auch die Errichtung eines eigenen Forums als ständige Einrichtung und Interessenvertretung gegenüber der Bundesregierung und staatlichen Stellen diskutieren. Im Vorfeld des Forums war aus diesen Kreisen heraus auch Kritik geäußert worden: Eine Menge an Konferenzen und Tonnen Papier mit Phrasen und vielen Gutachten sei bereits produziert worden, so Teilnehmer eines ähnlichen Treffens in Kopenhagen; sie forderten "weniger Reden" und mehr Einfluss von Bürger-Organisationen. Von der Bundesregierung erwarten sie in Lübeck eine Beschreibung der weiteren deutschen Arbeitsabsichten auf dem Feld der Ostsee-Zusammenarbeit. Die Zukunft im baltischen Raum sei nur zusammen mit den Bürgern aufzubauen, so die NGO-Kritiker.

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veröffentlicht 28.05.01, Kieler Nachrichten

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