DIE OSTSEE-GIPFELTREFFEN | |||
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13.12.1998 Die Balten sind in Wien enttäuscht von Deutschland
Vor allem die deutsche Seite hatte da gebremst: Sowohl Kanzler Gerhard Schröder als auch Außenminister Joschka Fischer rückten in Wien die innere Reform der EU als vordringlich ganz in den Vordergrund. Fischer: Ohne Reform, insbesondere im Agrarbereich, würde eine Erweiterung "die Union in die Luft sprengen". Wenn sich auch Polens Premier Jerzy Buzek (mit seinem Land werden bereits Beitrittsgespräche geführt) "im Namen aller Kandidaten" gegenüber Österreichs Bundespräsident Thomas Klestil geradezu enthusiastisch dafür bedankte, daß Klestil ständig das Ziel der Erweiterung betone und viel Verständnis für die Situation der Ostländer zeige - die Frustration insbesondere in den Delegationen Lettlands und Litauens war doch unüberhörbar. Klestil zu der Situation für die Beitrittskandidaten der sogenannten zweiten Reihe: "Es ist für diese Länder enttäuschend, daß die Entscheidung über die zweite Erweiterungsrunde von Köln auf den Gipfel in Helsinki Ende 1999 verschoben wird". Positive Signale wären besonders wichtig gewesen, "weil die Bevölkerungen der beitrittswilligen Staaten schmerzhafte und belastende Reformen auf sich nehmen, um europäische Standards zu erreichen". Klestil erinnerte an die gemeinsame Geschichte Europas: "Wir haben auch eine gemeinsame Verantwortung für die Zukunft". Nach einem "dringend nötigen" politischen Signal rief in Wien auch Litauens Premierminister Gediminas Vagnorius. Nach Vagnorius" Ansicht liegt es lediglich an den "internen Problemen der EU", daß "die Elektrizität zwar vorhanden sei, aber das Radio nicht eingeschaltet werde". Er jedenfalls sehe keinerlei Schwierigkeiten damit, daß Litauen schon jetzt in die erste Reihe der EU-Kandidaten aufrücken könne. Für die "Bevorzugung" des baltischen Nachbarn Estland (wie Polen bereits am Verhandlungstisch) bringe man sowohl in der litauischen wie auch in der lettischen Bevölkerung wenig Verständnis auf, so Vagnorius. Das führe aber dazu, daß "die Spannungen zwischen den drei baltischen Staaten gesteigert werden". Dabei seien sich die drei baltischen Staaten doch "sehr ähnlich - wir stellen eine Region dar". Innenpolitisch sehe er derzeit allerdings, daß in Litauen manche Wähler bald nicht mehr einsehen könnten, warum harte Reformen durchgeführt werden müssen. In der lettischen Delegation hieß es, man sei "realistisch genug" gewesen, um nicht zu erwarten, daß Lettland bereits in Wien zu Beitrittsverhandlungen eingeladen werde. Allerdings hätte man sich doch "sehr dringlich" einen konkreten Termin für den Verhandlungsbeginn gewünscht. Lettland steht derzeit ganz vorn in der Warteschlange der zweiten Reihe. Im Wiener Abschlußdokument wird es zusammen mit den anderen Kandidaten ziemlich unverbindlich auf das "kommende Jahr" vertröstet - was angesichts des sich bereits abzeichnenden deutschen Arbeitsplans auf jeden Fall das Jahresende und die dann bestehende finnische Präsidentschaftszeit meint - womit die sich noch unter Kanzler Helmut Kohl gern als "Anwalt der Balten" gebende deutsche Bundesregierung im Baltikum keinen guten Namen machen würde. Österreichs Außenminister und noch amtierender EU-Ratsvorsitzender Wolfgang Schüssel forderte in Wien ausdrücklich: "Die Deutschen müssen die Erweiterung vorantreiben". Vorläufig
setzt Bonn andere Prioritäten. Dem blickte in Wien auch
Litauens Außenminister Algirdas Saudargas ins Auge: "Nach
fünfzig Jahren Okkupation werden uns auch zwei, drei Jahre
Verzögerung beim EU-Beitritt nicht wie eine Katastrophe
vorkommen". PETER J. GOLLNIK
12.12.1998 Rückt Rußland näher an die EU? Wien (nik) Die EU könne im Norden wirtschaftliche Entwicklung, Stabilität und Sicherheit mehr fördern (und damit unter anderem Bedrohungen für die Umwelt ebenso wie nukleare Gefahrenpotentiale verringern helfen), wenn sie ihre den Nordbereich betreffende Politik weiterentwickele - so die EU-Kommission in einer "Empfehlung" an die Staats- und Regierungschefs. Vom Wiener Gipfel wurde das siebenseitige Papier zunächst lediglich als "Mitteilung" abgehakt. Bereits mit dem Beitritt von Schweden und Finnland habe sich die Europäische Union über die Ostsee und hinter den Polarkreis ausgeweitet, so die Kommission. Damit aber habe die EU eine jetzt schon 1300 Kilometer lange gemeinsame Grenze zu Rußland - gleichzeitig die einzige direkte geographische Verbindung zur Moskauer Föderation, was den gesamten Nordraum wiederum wichtig für die Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen EU und Rußland mache. Wie sein Vorgänger Paavo Lipponen, auf den die Initiative für die Vorlage der Kommission zurückgeht, verwies auch Finnlands Ministerpräsident Martti Ahtisaari in Wien noch einmal darauf: "Ich glaube, daß die Entwicklung der nördlichen Dimension Norwegen und Island der Union näher bringen wird, was im Interesse auch der anderen europäischen Mitgliedsstaaten ist." Wie die finnische Regierung stellt auch der Kommissionsvorschlag die wirtschaftlichen Aspekte nach vorn: So gebe es in Nordwest-Rußland und in der Barentsee-Region Erdgas- und Ölvorkommen von "globaler Bedeutung" - aber die Infrastruktur zur Nutzung sei unterentwickelt. Der in Wien vorgelegte Koommissionsplan empfiehlt, zunächst eine Durchführbarkeitsstudie über die Nutzung der Energieressourcen in Nordwest-Rußland einzuleiten. Gleichzeitig solle die EU versuchen, Umweltaspekte in die politische und finanzielle Verbindung der EU in der Region einzubeziehen. Zwischen Rußland und den baltischen Staaten sowie an der polnischen Grenze sollte mit zusätzlichen Projekten die grenzübershreitende Zusammenarbeit gefördert werden. Überdies seien der Ausbau der transeuropäischen Verkehrs- und Telekommunikationsnetze auf die Ostsee-Staaten auszuweiten. Veröffentlicht 12.12.1998, Kieler Nachrichten |
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