DIE OSTSEE-GIPFELTREFFEN | |||
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Der Gipfel in Kolding (Dänemark) 13.04.2000 Engagement für den Norden
Veröffentlicht in Kieler Nachrichten, 14.04.00
Inhaltlich hatten die Regierungschefs in Kolding eine Liste mit den drei Hauptpunkten "Wachstum und Entwicklung", "regionale und subregionale Zusammenarbeit" sowie "zivile Sicherheit" als Abschlusserklärung aufgestellt. Darin bekräftigen sie ihre Unterstützung unter anderem für die Verkürzung der Grenzabfertigungszeiten für Güter, einen Dialog über Regelungen für den Arbeitsmarkt, eine verstärkte Zusammenarbeit von EU, Russland und anderen interessierten Ländern, insbesondere mit Blick auf die EU-Erweiterung und die Lage des Königsberggebietes, Zusammenarbeit auf dem Gebiet nuklearer Sicherheit, wobei ein Frühwarnsystem für den Fall von Atomunfällen einbezogen werden soll, ein Atomfallmanagement, Zusammenarbeit bei Integration, Deregulation und Harmonisierung auf den Elektrizitäts- und Gasmärkten, Hilfe bei Wasser- und Abwasserproblemen in St. Petersburg und Königsberg, besonders bei den Giftmüllproblemen im Königsberggebiet. Eine gegenseitige Ergänzung sehen die Staats- und Regierungschefs in der EU-Erweiterung und der Entwicklung ihrer Nördlichen Dimension auf der einen Seite und den Anstrengungen des Ostseerates sowie subregionaler und grenzüberschreitender Zusammenarbeit auf der anderen Seite. Großes
Gewicht hat für die Regierungschefs weiterhin die zivile
Sicherheit. Das Mandat der 1996 in Visby ins Leben gerufenen
Task Force wurde in Kolding diesmal nicht wie bisher um zwei
Jahre verlängert, sondern es gilt jetzt bis Ende des Jahres
2004. Die übernationale Gruppe führt 23 erfolgreiche
Aktionen gegen Drogen, Autodiebstahl, illegale Einwanderung,
Schmuggel und Geldwäsche auf. Neu im Programm der grenzüberschreitend
arbeitenden Task Force ist der Kampf gegen ansteckende Krankheiten.
Dazu muss man wissen, dass das Königsberger Gebiet die höchste
Aids-Quote Russlands aufweist. Konkrete Beschlüsse wurden
nicht festgeschrieben. Künftig soll aber zwischen den jährlichen
Treffen der Außenminister - das nächste 2001 in Hamburg
- ein Expertenkomitee die Zusammenarbeit überwachen und
als Anlaufstelle dienen. Ein neuer Gipfel wurde nicht vereinbart.
Veröffentlicht in Kieler Nachrichten, 14.04.00 12.04.2000
12.04.2000 Zum letzten Mal ein Ostsee-Gipfel?
Der Aufbau einer selbsttragenden wirtschaftlichen Entwicklung in den baltischen Staaten soll in Kolding bilanziert werden, die Sicherung der Energieversorgung, Sicherheit von Atomkraftwerken (das baltische Ignalina steht da im Visier), die Beseitigung der immer noch quälenden Handelshemmnisse (was besonders Russland betrifft), und natürlich das ernste Thema der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität wurden als Programmpunkte genannt. Weitestgehend sind die allerdings schon im Vorfeld abgehandelt; mehrfach hatten sich in den vergangenen Wochen die Zuarbeiter der Regierungschefs deswegen in Norwegen getroffen. Da solche Handhabung mehr und mehr zur gängigen Praxis geworden ist (und da das in Stockholm angesiedelte Ostsee-Koordinationsbüro inzwischen hervorragend funktioniert), wird dieser dritte Ostsee-Gipfel voraussichtlich der letzte sein; an die Stelle der zweijährigen Treffen der Regierungschefs sollen jährliche Treffen der Außenminister treten - und ohnehin träfen sich ja die Fachminister, denen die eigentliche Ausgestaltung der Beziehungen zufällt, regelmäßig. Unter den gar nicht mehr wie noch bei den Vorgänger-Gipfeln in Visby und Riga zu Hunderten zählenden Medienvertretern machte das Bonmot die Runde: "Das gipfeligste am Gipfel ist der Name". Ganz so drastisch erscheint das allerdings nur nach außen so. Nicht unbedingt für die auf "harte Fakten" wartenden Medien bestimmt dreht sich hinter den verschlossenen Türen im Koldingfjord-Hotel vieles um die äußerst schwierige Einbeziehung Russlands in den Ostsee-Kreis. So liegt Lettland zur Zeit in einem gefährlichen Streit mit der Kreml-Administration, nachdem Ministerpräsident Skele das russische Vorgehen in Tschetschenien klar als "Völkermord" tituliert hatte - nun dreht Moskau den Spieß um und beschuldigt die Regierung in Riga der Missachtung von Menschenrechten, gar der "Unterstützung von Terroristen", weil ein lettisches Gericht kürzlich einen ehemaligen kommunistischen Partisan wegen Kriegsverbrechen verurteilt hatte. Mehrfach hatte Moskau in der Vergangenheit im Zuge solcher Auseinandersetzungen den Balten bereits Energielieferungen abgedreht. Viel
schwer wiegenderes Thema ist allerdings die Enklave Königsberg,
um deren zumindest wirtschaftliche Öffnung sich ganz besonders
Nachbar Litauen bemüht. Schwer wiegend auch deshalb, weil
offensichtlich vom Kaliningrad Oblast systematischer Schmuggel
im Großformat ausgeht. Schwarz gebrannter Alkohol geht
zum Beispiel nach Interpol-Ermittlungen von Königsberg aus
über Polen und Litauen vorwiegend nach Deutschland und Belgien.
Auch das dürfte gestern Abend Thema gewesen sein - beim
Dinner, zu dem die Delegations-Häupter per Boot vom Koldingfjord-Hotel
zur Burg gebracht wurden. PETER J. GOLLNIK 11.04.2000 An der Ostsee kühlt die Stimmung ab
Abgekühlt ist auch die Begeisterung in den drei baltischen Staaten. Deutschland empfinde sich als "der Anwalt der Balten" hatten sich Mitglieder der vorigen Bonner wie der jetzigen Berliner Regierung gern gerühmt; Taten wurden indes nur wenig sichtbar. Der einstige Kanzler Helmut Kohl verschob die erhofften Handreichungen des Bundes stattdessen ganz offen nach Brüssel: "Wir zahlen genug in die EU", sagte er beim zweiten Ostsee-Gipfel 1998 in Riga (da war er zum ersten Mal in den damals schon acht Jahre unabhängigen baltischen Staaten). In
Kolding steht heute und morgen zwar das Thema "Selbsttragende
wirtschaftliche Entwicklung" für Balten und Polen auf
dem Programm - das aber wohl eher zum Zwecke positiver Darstellung.
Gelegenheit zur Selbstdarstellung bietet auch die Momentaufnahme
des Kampfes gegen organisierte Kriminalität. Schon in Riga
ließen sich daraus öffentlichkeitswirksame positive
Zahlen verbreiten - im real existierenden Papier der zuliefernden
Arbeitsgruppe stellte sich allerdings einiges (insbesondere die
damalige Bonner Koordinationstätigkeit) anders dar. Ganz
sicher Hauptthema (aber mangels positiver Darstellungsmöglichkeit
eher nicht so offen gehandelt) ist in Kolding das Verhältnis
zu Ostsee-Anrainer Russland und der Umgang mit Russlands faktischer
EU-Enklave Königsberg. Dass der neue Präsident der
Russen, Wladimir Putin, nicht in Dänemark dabei ist, hat
übrigens keine Aussagekraft: Putin darf gemäß
russischer Verfassung keine Auslandsreise unternehmen, solange
er nicht offiziell ins Amt eingeführt ist - und das wird
erst Anfang Mai sein. PETER J. GOLLNIK |
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