ATOM-ALARM IM MEER  
 Inhalt:
Strahlende Ozeane
Der Fall Komsomolez 
Die Angst in Hammerfest 
Der Crash mit Sierra 2 
Operation Jennifer 
Strahlender Alltag

  Extras:

"K-159" - Daten
- von Olaf Pestow

Die Komsomolets-
Katastrophe -
von Olaf Pestow


Die "Kursk" - das Drama
in der Barentsee -
von Olaf Pestow

Trauerfeier für die
Besatzung der "Kursk"
- von Olaf Pestow

 

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Impressum


Strahlender Alltag


Wenn auch heute wieder nach den Frühnachrichten im Murmansker Lokalrundfunk mit dem Wetterbericht die aktuellen Strahlungs-Meßwerte verlesen worden sind, dann war das banale Normalität in dieser Region. Eine Million Menschen dort sind es mittlerweile gewöhnt, damit zu leben.

Nur eine Million?

Nicht nur für die Russen ist das Meer bis heute die billigste und einfachste Möglichkeit, sich aller Atommüll-Sorgen zu entledigen. Fürs erste jedenfalls. Aus der britischen Wiederaufbereitungsfabrik Sellafield (früher: "Windscale") fließen "schwach radioaktive" Abfälle einfach in die irische See ab. Die französische Atomfabrik bei La Hague leitet ihren Flüssig-Müll immer noch in den Atlantik. Und in Japan bricht gerade die Diskussion darüber aus, ob man die Einleitung strahlender Stoffe aus den Atommeilern an der Ostküste in den Pazifik nicht bald stoppen müsse - die Fischereiindustrie hat Alarm geschlagen.

Und auch das geschieht auf unseren Meeren: 1968 war es, als ein spanisches Forschungsschiff knapp 200 Kilometer vor der spanischen Küste erhöhte Radioaktivität feststellte. Es dauerte Monate, bis das Geheimnis der Ursache gelüftet war: 11000 Tonnen Atommüll in 35800 Behältern hatten Belgien, Frankreich, die Bundesrepublik Deutschland, die Niederlande und Großbritannien fünf Monate zuvor an dieser Stelle im Atlantik versenken lassen. Trotz massiver Proteste Spaniens gingen die Versenkungsaktionen jahrelang weiter, weitgehend unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Das Magazin "Der Spiegel" schrieb schon 1980 in einem groß angelegten Report "Strahlender Eisberg": "Insgesamt 47500 Fässer mit strahlendem Abfall wurden zwischen 1946 und 1956 an wenigstens acht, wahrscheinlich sogar 50 verschiedenen Stellen, die teilweise nicht einmal 100 Kilometer vor der amerikanischen Westküste liegen, im Pazifik versenkt. Im Atlantik liegen auf dem Kontinentalsockel zusätzlich 28000 Atommüllkübel, davon einige nur knapp fünf Kilometer vom Ufer entfernt". Ein Viertel der vom "Spiegel" angeführten Pazifik-Fässer, befand der französische Ozeanograph Cousteau nach Untersuchungen in den 80er Jahren, seien schon geplatzt - "gähnend offen, wie leere Austern". Beispiele nur, banale Normalität.

Die für den Menschen gefährlichsten radioaktiven Substanzen sind Jod, Strontium, Kohlenstoff, Cäsium, Tritium, Krypton und Plutonium. Jod wird in der Schilddrüse konzentriert, Strontium (90) wie Kalzium in die Knochensubstanz eingebaut, Kohlenstoff (C-14) für den gesamten Körperaufbau verwendet, Cäsium (137) wird von allen menschlichen Zellen eingebaut, Tritium vom Körper (als Wasserstoff-Isotop in Verbindung mit Sauerstoff) für Wasser angesehen. Krypton (85) löst sich in der Körperflüssigkeit und geht im Fettgewebe auf, Plutonium schließlich gilt als über 200.000mal effektiverer Lungenkrebsverursacher als Benzpyren und als bis zu 300.000mal giftiger als Arsen.

Von Juli 1945 bis November 1962 testeten allein die USA 181 Atomsprengsätze ganz offen in der Atmosphäre, die Sowjets - weniger offen - noch viel mehr. Die Folgen lassen sich bei einer ganzen Generation dieser Menschheit messen: Kein unter 45jähriger auf dieser Welt, in dessen Knochenmark sich nicht die weiter strahlenden Zerfallsprodukte dieser Tests nachweisen ließen.

Mittlerweile gibt es Studien mit genauen Karten etwa der Plutoniumkonzentration in der Nordsee. Und: Ganz und gar nicht heimlich unter der Decke gehalten, ist in einem Sonderdruck der Deutschen Hydrographischen Zeitschrift (Band 30, Heft 2 von 1977) aus einer Studie von H. Kautsky nachzulesen: "Bei Messungen an Bodenproben aus der westlichen Ostsee konnte eine Anreicherung des Radioisotops Cs-137 (Cäsium) in den Sedimenten (bis 3000fach höher als im darüberliegenden Wasser) festgestellt werden. Die höchsten Meßwerte wurden im Bereich der äußeren Kieler Bucht gefunden".

"Normalität", mit der wir leben - der Fall "Komsomolez", der Fall "Kursk", "K-159", der jüngste Untergang - sie waren nie Ausnahmefälle...

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