ATOM-ALARM IM MEER | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
K-159 [607] Projekt 627A KIT (NATO: SSN der NOVEMBER-Klasse) (angelsächsisches Transliterationssystem) Russische Typbezeichnung: (PLA Podvodnaya Lodka Atomnaya) Russisches Projekt: Chiffre: KIT Index: 627A Russ. Taktisches Zeichen Deutsche Übersetzung: Torpedo-U-Boot, nukleargetrieben NATO-Designation: SSN submarine, nuclear propulsion NATO-Klassenbezeichnung NOVEMBER-Klasse Quellen: auf der Grundlage russischer Angaben
In der Nacht vom 29. zum 30. August 2003 sank das U-Boot K-159 der Nordflotte im Schlepp 3 sm nord-westlich der Insel Kildin kurz vor seinem Ziel auf 238 m Tiefe. Im Schiffsreparaturwerk SRZ "NERPA" bei Snezhnogorsk in der Olenya-Guba (der Olenya-Bucht) sollte es auseinandergebrannt und zerlegt werden (hier wurde auch K-141 "KURSK" und andere Atom-U-Boote verschrottet). Es ist anzunehmen, dass geplant war, vorher in Polyarnyy am Eingang der Olenya-Guba Station zu machen.
Vorbereitung des U-Bootes für das Schleppen in Gremikha Das U-Boot K-159 ist Anfang August für die letzte Fahrt von seinem Stützpunkt Gremikha auf der östlichen Seite der Kola-Halbinsel in das Schiffsreparaturwerk SRZ "NERPA" in der Olenya-Bucht (Teil der Kola-Fjordes nördlich von Murmansk) vorbereitet worden. Für das Schleppmanöver und zur Verbesserung der Schwimmfähigkeit für die Fahrt über gut 170 sm wurden am U-Boot vier 200 t-Pontons (in zylindrischer Form) befestigt. Gegen zu hartes Aufprallen der Pontons am Hüllkörper von K-159 besaßen diese eine Holzverschalung. Die seemännische Befestigung mit Stahltrossen erfolgte so, dass die Trossen das U-Boot auch abgefangen haben. Diese Konstruktion kann man bei einem Seegang über See 3 aber kaum verwenden. Die Anzahl der Trossen war größer, als notwendig ("... für alle Fälle ..."). Die Stahltrossen sollten nach Verständnis der Verantwortlichen - auch bei einer See um 6 noch standhalten. Vor der Überführung ist der Druckkörper auf Dichtigkeit überprüft worden, die Resultate waren positiv. Alle Durchführungen, Stopfbuchsen und die Stevenrohrbuchsen waren dicht. Unklar ist der Füllungs- und technische Zustand der Ballastwasserzellen und Tanks. Weiterhin der ist nicht klar, ob einzelne Schiffssysteme (Hydraulik, Elektrik, Hochdruck-Pressluft, Feuerlösch etc.) sich in einem brauch- und benutzbarem Zustand befanden. Da unter Deck nach den Berichten - mit Handlampen hantiert wurde, kann angenommen werden, dass das E-System nicht funktionierte. Eine UKW-Funkstation hielt den Funkkontakt zum Schlepper. Als Schlepper ist SB-406 zum Boot beordert worden. Als Überführungsmannschaft wurden 10 Mann der Stammbesatzung bestimmt. Sechs Offiziere, vier Fähnriche und Mannschaftsdienstgrade: Kommandant Fregattenkapitän Sergey Lappa Kommandeur des Maschinengefechtsabschnittes (LI) Korvettenkapitän Mikhail Gurov Kommandeur der Antriebsdivision Korvettenkapitän Yuriy Zhadan Kommandeur der Schiffssicherungsdivision Korvettenkapitän Oleg Andreev Kommandeur der elektrotechnischen Division Oberleutnant Sergey Sokolov Kommandeur der Gruppe für Fernsteuereinrichtungen Oberleutnant Maksim Zibulskiy Oberbootsmann Fähnrich Aleksandr Aleshkin Chef des chemischen Dienstes Fähnrich Roman Kurinnyy Abteilungskommandeur Turbinenantrieb Obermaat Evgeniy Smirnov Maschinist in der Fernsteuergruppe Bootsmann Andrey Knyazev Die 10 Mann der Überführungsmannschaft sollten sich während des Schleppmanövers in der Zentrale und in den Unterkünften im vorderen Teil des Bootes aufhalten. 9 Mannschaftsdienstgrade teilten sich in 3 Wachen auf, der Kommandant ging keine Wache. Die nach dem Unglück aus der See gefischten Mannschaften gehörten der diensthabenden Wache zum Zeitpunkt des Unglücks an, sie hielten sich im Turmbereich oder auf dem Turm auf. Die anderen waren unter Deck. Beim Unglück hatte die im Boot befindliche Mannschaft durchaus die Chance, sich rechtzeitig aus dem Wrack zu retten. Sie kamen aber ausgestattet mit Handlampen - nicht mehr rechtzeitig aus dem Rumpf heraus. Sie hielten sich möglicherweise nicht im Zentralebereich oder in dessen Nähe auf.
Rekonstruktion der zeitlichen Abläufe und mögliche Ursache des Unglücks Das U-Boot legte am 28. August 2003 gegen 20.00 Uhr im Marinestützpunkt Gremikha von der Pier ab. Nach ca. 30 Stunden im Schlepp sank das Boot gegen 03.00 Uhr Moskauer Zeit (nach anderen Quellen 02.00 Uhr) rund 10 sm vor dem Ziel und ca. 3 sm vor der Insel Kildin. Daraus resultiert eine durchschnittliche Geschwindigkeit des Schleppverbandes von ca. 5,3 kn (nach anderen Quellen 4,5 kn). Nach den Vorschriften über das Schleppen sind maximale Schleppgeschwindigkeiten einzuhalten. Diese basieren auf dem Seegang, der Länge der Schleppleine, dem Neigungswinkel der Schlepptrosse u.a. Danach hätte die Schleppgeschwindigkeit statt 5,3 kn nur 4 kn (nach andern Quellen 3 kn bei See 3) betragen dürfen. Der Seegang zur Untergangszeit im Bereich nördlich der Insel Kildin lag bei See 4-5. Es bestand dadurch die Möglichkeit, dass sich die Wellenbremsen an den Propellerwellen lösten und die Antriebswellen unkontrolliert mitdrehten. Eine mögliche Undichtigkeit der Stopfbuchsen kann daraus resultieren, die langsam die Bilge der Abteilung VIII füllte und das Wasser in die davor sowie die dahinter liegenden Abteilungen VII und IX gelangte. Die Stopfbuchsen waren nach russischen Angaben mit Graphitdichtungen versehen. Die Mannschaft bemerkte die Leckage nicht sofort, Hilfsmittel der Krängungs- oder Leckanzeigen waren nicht funktionsbereit. Ggf. war nur ein einfacher mechanischer Krängungsmesser vorhanden. Schema des Vorgängerprojektes 627 KIT, Aufteilung der Abteilungen und der Wellenanlage Unklar ist, ob die Schottdurchgänge zwischen den Abteilungen geschlossen waren oder nicht. Nach den zu vermutenden (und bekannt gewordenen) Aktivitäten kann angenommen werden, dass die Schottdurchgänge für ein leichteres Hin- und Herlaufen bis zum Moment der Entdeckung der Leckage offen waren. Das U-Boot bekam eine Neigung nach achtern. Nach dem die Mannschaft dieses bemerkte, hat der Kommandant des U-Bootes angeblich dem Schlepper ein Leck in einer der achteren Abteilungen gemeldet, vermutlich in Abteilung VIII oder IX im Bereich der Antriebswellen. Man versuchte, die Abteilung(en) zu verschließen, in das Boot lief aber immer mehr Wasser und es gelangte über die nicht (mehr) hermetisch dichten Rohrleitungen und den (undichten?) Schottdurchgang in die Nachbarabteilung. Als weitere Rettungsmaßnahme soll ein "anblasen" der Abteilung XIII versucht worden sein, um das weitere Eindringen von Wasser zu stoppen und mit einem "Luftpolster" einen zusätzlichen Auftrieb zu schaffen. Dieses Vorhaben blieb aber ohne messbares Resultat, der Vorrat an Hochdruck-Pressluft reichte hierfür augenscheinlich nicht aus. Der Kommandant versuchte danach über Funk die Erlaubnis zu erhalten, das U-Boot in die seichteren Gewässer vor der Insel Kildin schleppen zu lassen. Dieses erfolgte eine Stunde vor dem Untergang. Die Schlepperbesatzung (sicher nach einer Konsultation mit dem operativen Diensthabenden der Flotte) lehnte den Vorschlag der Besatzung ab. Die Überführungsmannschaft hat statt dessen die Weisung erhalten, bis zum Eintreffen im Bereich Polyarnyy das U-Boot schwimmfähig zu halten und auf das Eintreffen von Rettungskräften zu warten. Zu dieser Zeit erhielten diese Kräfte schon den Auslaufbefehl in Richtung Insel Kildin. Gegen 02.30 Uhr wurde von Flottenstab der Befehl der Evakuierung des Bootes gegeben, dieser kam möglicherweise nicht an ... Die Trossenverbindungen zu den Pontons hielten nicht mehr stand, sie rissen, zuerst die vorderen (Anmerkung: das ist zwar nicht unbedingt logisch, aber möglich), dann die achteren. K-159 ging fast augenblicklich unter. Die Mannschaft unter Deck hatte nur wenige Augenblicke Zeit, sich aus dem Rumpf zu retten. Die einzige funktionierende Luke nach Außen war möglicherweise nur die Turmluke. Diese ist nach dem Untergang von den Tauchapparaten der Rettungsschiffe geöffnet vorgefunden worden. Nach dem Notruf liefen Schiffe des Seenot-Rettungsdienstes der Nordflotte aus. Die unmittelbare Leitung übernahm Vizeadmiral S. Simonenko. An Rettungskräften liefen aus bzw. starteten:
Die meteorologischen Bedingungen bei der Insel Kildin beim Auslaufen der Rettungskräfte waren See 3-4, Wassertemperatur +10 C. Den Kräften gelang es, 3 leblose Körper aus der See zu fischen. Zwei der Seeleute waren bereits tot, der dritte, Oberleutnant Maksim Zibulskiy, konnte lebend geborgen werden. Der Verteidigungsminister Ivanov meldete unverzüglich den Stand der Dinge an Präsident Putin, der sich in Italien aufhielt. Noch am 30. August wurden von der "GERMAN TITIOV" wurden zwei unbemannte Tieftauchapparate und von der "ALTAI" der ferngesteuerte Tauchapparat "TAIGER" zu K-159 abgesenkt. Sie stellten fest, dass das U-Boot aufrecht mit einer Krängung von ca. 3° nach Backbord auf dem Grund lag, die Turmluke geöffnet. Der Verteidigungsminister enthob den Divisionskommandeur von K-159 umgehend seines Postens. In Murmansk begann die Arbeit von 25 Spezialisten der Militärstaatsanwaltschaft und der Staatsanwaltschaft der Nordflotte. Am 11. September 2003 wurde nach einem Ukas des Präsidenten der Russischen Föderation der Kommandierende der Nordflotte Admiral Gennadi Shuchkov zeitweilig von seinem Posten enthoben. Seine Aufgaben übernahm Vizeadmiral Sergey Sinonenko. Bei der Organisation des Rettungseinsatzes kam es zu einer Panne, die eine Zeitverzögerung hervorrief. Eines der eingesetzten Rettungsflugzeuge ortete nach Eingang der Meldung und Auslösens des Rettungsfalles einen Schleppzug nördlich der Insel Kildin. Die Position meldete der Pilot entsprechend. Die seegestützten Rettungskräfte liefen in diese Richtung. Es stellte sich danach heraus, dass es sich um einen regulären Schleppzug handelte, nicht um K-159 mit Schlepper. Die Rettungskräfte drehten ab, nachdem sie den Fehler bemerkt hatten. Zeitgleich mit K-159 verließ ein zweiter Schleppzug den Stützpunkt Gremikha in Richtung Polyarnyy. Am Haken: K-370 vom Projekt 671R ERSH (NATO: SSN der VICTOR-I-Klasse). Dieser Schleppzug kam wohlbehalten (ohne Schwimmpontons) am 4. September an. Im Oktober 2003 erhielt das zentrale Konstruktionsbüro ZKB "MALAKHIT" in St. Petersburg den Auftrag, ein Projekt für die Bergung des U-Bootes auszuarbeiten. Der Bergungszeitraum soll dabei im Sommer des Jahres 2004 liegen. Die Frage der Beteiligung ausländischer Partner steht z.Z. nicht. Mit in die Planungen einbezogen wird dagegen das zentrale wissenschaftliche Forschungsinstitut ZNII "KRYLOV", welches alle Details der Operation ausarbeiten wird. Unklar sind eine Reihe von Fragen:
Lebenslauf von K-159
K-159 hat während seiner Dienstzeit bei der Seekriegsflotte 9 Gefechtseinsätze absolviert, mit 212.618 sm und 25.364 Stunden Fahrzeit.
Tabelle der taktisch-technischen Daten (einfache Darstellung):
|
Der nebenstehende Text ist - auch in Auszügen oder als Zitat - geistiges Eigentum des Verfassers Olaf Pestow und ausschließlich zur persönlichen Information bestimmt. Jede weitere Veröffentlichung ist hiermit ebenso wie Vervielfältigungen gleich welcher Art (einschließlich Foto-Kopien) ohne seine ausdrückliche Genehmigung untersagt. Inhaber des Copyrights ist der Autor. Nachfragen bitte direkt an olaf.pestow@netsurf.de Der Autor in der "Maritim-Ecke" seines Wohnzimmers. Olaf Pestow ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Schiffahrts- und Marinegeschichte DGSM und des Deutschen Marinebundes (MK Stralsund). Nach Studium an der Kaspischen Schule der Seestreitkräfte Baku war er Bordoffizier auf U-Bootjäger PARCHIM-Klasse, danach bis 1990 Bauaufsicht/Güteprüfer im militärischen Schiffbau (Peene-Werft. Mitwirkung u. a. bei den Projekten 133.1M - Export-U-Jäger UdSSR und 151 - BALCOM - 10 FK-Schnellboot). |
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||