DER OSTSEERAT | ||
04.07.1997
Kinkel: "Anwalt der Balten" Riga (nik) Deutschland empfinde sich nach wie vor als Anwalt der baltischen Staaten und betrachte deren Entwicklung im Rahmen der Ostsee-Kooperation als außerordentlich positiv - so gestern Bundesaußenminister Klaus Kinkel in einer Bewertung der sechsten Sitzung der Außenminister der Ostseeanrainerstaaten in Riga. In einem 28-Punkte-Papier hatten die Minister die bisherigen Fortschritte unter anderem beim Ausbau der Infrastruktur, beim Knüpfen eines Energienetzes, der grenzüberschreitenden regionalen Entwicklung sowie beim gemeinsamen Kampf gegen organisierte Kriminalität festgehalten. Der eingeschlagene Kurs solle weiter verfolgt werden, beschlossen sie einmütig. Konkret wurde vereinbart, die Errichtung eines festen Ostsee-Sekretariates in Gang zu setzen. Einstimmig wurde für 1997/98 Dänemark der Vorsitz zugesprochen; jedoch soll voraussichtlich zu Beginn des nächsten Jahres in der lettischen Hauptstadt Riga ein Ostsee-Gipfeltreffen stattfinden. 04.07.1997 Riga:
Ostseerat zieht positive Bilanz - Wirtschaftskraft wächst "Was den Beitritt zur EU anbelangt, habe ich den Eindruck, da haben sich bestimmte Karten verbessert." - Beinahe klang es schon nach Enthusiasmus, wie Deutschlands Außenminister Klaus Kinkel gestern bei Grapefruitsaft und süßen Brötchen am Frühstückstisch die bisherige Entwicklung der östlichsten der Ostseestaaten bewertete. Wie Kinkel zogen bei der sechsten Sitzung des Ostseerates der Außenminister in Riga auch sämtliche seiner dort vertretenen anderen zehn Kollegen eine außerordentlich positive Bilanz. 28 Prozent der Wirtschaftskraft Europas werde inzwischen in den Ostseeanrainerstaaten erwirtschaftet, listete der deutsche Außenminister mit sichtlicher Begeisterung auf. Für beinahe 900 Millionen US-Dollar exportiere dieser Raum mittlerweile - ein Drittel der Exporte ganz Europas. Das seien enorme - aber auch bisher nur zum Teil genutzte - Möglichkeiten. Im Handel untereinander sei von 1993 bis 1995 ein Plus von 44 Prozent erzielt worden, der lettische Hafen von Windau-Ventspiels schlage jetzt fast 30 Millionen Tonnen um - über 40 Prozent des Verkehrsaufkommens im Hamburger Hafen. Allerdings: Da gebe es auch weiterhin Rechtsunsicherheiten, offene Eigentumsfragen, Defizite bei den Banken, kaum durchschaubare Bürokratie, schleppende Abfertigung an den Grenzen - das behindere noch Handel und Investitionen, das müsse überwunden werden; ebenso, wie es beim Mißbrauch der Umwelt nicht so weitergehen dürfe. Einsichten, die, nicht nur am Rande, auch von Kinkels Amtskollegen in Riga mit Besorgnis und dem Ziel der Änderung diskutiert wurden. Die einzige Dame im Bunde, Schwedens Außenamtschefin Lena Hjelm-Wallen, hat mittlerweile den Kampf gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität sogar zur Chefsache gemacht und versprach einen eingehenden Bericht über die inzwischen fest installierte und praktisch arbeitende Einsatzgruppe Kriminalität für den nächsten Ostseegipfel Anfang nächsten Jahres in Riga. Schon jetzt, so die Schwedin, funktioniere der Austausch von Informationen zwischen Polizei und Grenzbehörden sowie -wachen; dafür eingerichtete Kommunikationszentren seien rund um die Uhr besetzt. Dazu sei BALTCOM als ein auf dem Interpol-System basierendes Kommunikationssystem eingerichtet worden. Die "Task Force" habe bereits Erfolge bei der Verhinderung illegaler Einwanderung und von Menschenschmuggel vorzuweisen, auch sei der Schmuggel gestohlener Autos zurückgegangen. In einem Fall habe die Einsatzgruppe gleichzeitig in drei verschiedenen Ländern 28 Kilogramm illegale Amphetamine (Aufputschmittel, Drogen) beschlagnahmen können. Hjelm-Wallen wies darauf hin, daß ein weiteres Feld für die Einsatzgruppe die Bekämpfung sexuellen Mißbrauchs von Kindern auf internationaler Grundlage sein könne. Beifall für Hjelm-Wallen gab es auch von einem erstmals im Ostseerat erschienenen Gast: US-Botschafter Larry Napper überbrachte Grüße von US-Außenministerin Madeleine Albright. Die USA sähen die dynamische Entwicklung insbesondere der östlichen Ostseeregion deshalb mit Interesse, weil hier "der gemeinsame Traum" einer friedlichen, ungeteilten Euro-Atlantik-Region verwirklicht werden könnte. Napper: Er sähe dem Tag entgegen, an dem auch die USA einen Platz im Ostseerat-Heim bekämen und so mehr direkt zu Leben und Arbeit der baltischen Familie beitragen können. Daß es bis dahin noch viele Schritte weit sein wird, zeigte die Schlußpressekonferenz gestern nachmittag: Immer wieder insistierten für russische Zeitungen schreibende Journalisten beim scheidenden Ostseerat-Vorsitzenden Valdis Birkavs, wann "die Unterdrückung und Behinderung" der russischen Minderheiten in den baltischen Staaten beendet werde. Und auch Rußland selbst ist ganz offenbar nicht so fruchtbar aktiv bei der Entwicklung im Ostseeraum, wie es die übrigen Ostseerats-Mitglieder gern sehen würden. Klaus Kinkel: "Rußland muß man drängen, daß es seine Zugbrücke herunterläßt, daß es Vertrauen faßt." PETER J. GOLLNIK, veröffentlicht 04.07.1997, Kieler Nachrichten 03.07.1997 Die neuen "Tiger" im Ostseeraum Riga. "Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg" - voller Enthusiasmus beendete gestern abend in Riga Lettlands Außenminister Valdis Birkavs die Begrüßungsrunde vor seinen Amtskollegen aus den anderen Anrainerstaaten des Baltischen Meeres, die zur sechsten Sitzung des Ostseerates angereist waren. Birkavs Optimismus kennzeichnete die Atmosphäre, in der das mittlerweile sechste Treffen der Außenminister Schwedens, Dänemarks, Deutschlands, Finnlands, Estlands, Litauens, Lettlands, Polens, Rußlands sowie Norwegens in Riga stattfindet: War das Treffen voriges Jahr in Kalmar noch eine reine Introduktion, soll es jetzt um Inhalte gehen. Allein der Entwurf des bis heute nachmittag zu erarbeitenden Abschlußpapiers umfaßt neun eng beschriebene Seiten. Sichtbarster Durchbruch darin ist ein "Prüfauftrag" hinsichtlich der Errichtung eines festen Ostsee-Sekretariats. Nach deutschen Vorstellungen könnte diese Einrichtung als Anlauf- und Sammelstelle ihre organisatorische Tätigkeit noch in diesem Jahr aufnehmen - nach jeweiliger nationaler Abzeichnung im Umlaufverfahren. Als mindestens ebenso bedeutsam hat sich im Kreis der Ostseeanrainer offenbar die Erkenntnis durchgesetzt, daß die Zusammenarbeit auf Regierungsebene nur ein Teil der gesamten Kooperation sein kann. Dänemarks Botschafter Dan Nielsen formulierte das so: Die Zusammenarbeit auf der Ebene der Subregionen, der Städte und Häfen, auf dem Gebiet der Touristik und zwischen den Handelskammern habe bereits Bedeutsames geleistet; der Ostseerat bleibe dennoch als Rahmenwerk für Stabilität und Entwicklung sowie als Teil des OSZE-Sicherheitsmodells für das 21. Jahrhundert wichtig. Der deutsche Außenminister Klaus Kinkel (FDP), der gestern gemeinsam mit Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Berndt Seite (CDU) in Riga auftrat, meinte in seiner Rede, "die Ostseeregion hat heute die Jahrhundertchance, ein erfolgreiches Labor gesamteuropäischer Zusammenarbeit zu werden". Und unter einigen Teilnehmern kursierten bereits Zukunftsprognosen, in denen der Ostseeraum vom Tempo seiner Entwicklung her mit den südostasiatischen "Tigerstaaten" in eine Reihe gestellt wurde. PETER J. GOLLNIK, veröffentlicht 03.07.1997, Kieler Nachrichten
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